Alzheimer-Therapie

Von Meditation bis zu Antikörpern

Geht es um neue Therapien gegen Alzheimer, lassen Forscher nichts unversucht: Antikörper, Betablocker, Sekretase-Hemmer und sogar Meditation. Doch der große Durchrbuch lässt auf sich warten. Ein Überblick vom AAN-Kongress.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Gedächtnisstörungen: Es gibt hoffnungsvolle neue Ansätze zur Prävention und Therapie.

Gedächtnisstörungen: Es gibt hoffnungsvolle neue Ansätze zur Prävention und Therapie.

© iStockphoto / Thinkstock

SAN DIEGO. Nachdem im vergangenen Jahr mehrere Wirkstoffe gegen Beta-Amyloid in Phase-III-Studien gescheitert sind, ist von Euphorie bei der Entwicklung neuer Alzheimermedikamente wenig zu spüren.

Auf dem AAN-Kongress wurden jetzt aber wieder neue Ansätze und Wirkstoffe präsentiert, die sich derzeit in der klinischen Entwicklung befinden.

Zu diesen zählt ein Beta-Sekretase-Hemmer von Eli Lilly mit der Bezeichnung LY2886721. Er hemmt die Produktion kurzer Beta-Amyloid-Fragmente, die im Gehirn von Alzheimerpatienten verklumpen, aber auch in geringen Mengen ständig bei gesunden Personen entstehen.

In einer Phase-I-Studie wurden nun 47 gesunde Probanden zwei Wochen lang entweder täglich mit Placebo oder dem Enzymblocker in Konzentrationen von 5 bis 70 mg behandelt. Wie bei Phase-I-Studien üblich, ging es hierbei vor allem um Sicherheit, Pharmakodynamik- und kinetik.

Beta-Sekretase-Hemmer im Test

Die Studienautoren um Brian Willis aus Indianapolis maßen aber auch die Liquor- und Plasmakonzentrationen von Beta-Amyloid-Fragmenten, woraus sich gewisse Aussagen treffen lassen, ob der Therapiemechanismus überhaupt greift.

Und dies war dann auch tatsächlich der Fall. Die Konzentrationen der Amyloidfragmente Aß1-40 und Aß1-42 gingen dosisabhängig in Liquor und Plasma deutlich zurück, bei der höchsten Dosierung zum Teil um knapp 90 Prozent.

Nebenwirkungen wurden nicht häufiger als mit Placebo beobachtet, eindeutig therapiebezogene unerwünschte Effekte traten nicht auf, auch kam es bei keinem der Teilnehmer zu schweren Nebenwirkungen. Der Weg zu Phase II dürfte damit frei sein.

All das hat der monoklonale Antikörper Solanezumab schon hinter sich, auch hier waren Phase-I- und II-Studien vielversprechend, in den entscheidenden Phase-III-Studien bei Alzheimerpatienten ließ sich die Krankheitsprogression aber nicht signifikant verzögern, lediglich bei leichter Alzheimerdemenz kam es zu einer signifikanten Verzögerung der Progression, was hoffen lässt, dass eine früh beginnende Therapie doch etwas nützen könnte (wir berichteten).

Auf dem AAN-Kongress wurde nun eine Auswertung der beiden Phase-III-Studien mit Blick auf einige Biomarker veröffentlicht. Die Auswertung sollte den Forschern zeigen, was in den Studien im Gehirn der Patienten passiert ist.

Möglicherweise bereitet die Marker ihnen aber nun noch mehr Kopfzerbrechen. So gab es bei vielen Biomarkern insgesamt kaum Unterschiede zwischen einer Therapie mit Placebo und Solanezumab, doch in den einzelnen Patientengruppen differierten die Ergebnisse erheblich.

Die PET-Bildgebung zeigte etwa bei Patienten mit leichter Alzheimer-Erkrankung einen leichten Rückgang des verklumpten Amyloids unter der Antikörpertherapie, mit Placebo eine Zunahme.

Bei Patienten mit moderatem Alzheimer war es eher umgekehrt: Hier nahm die Amyloidlast mit Placebo ab, mit Solanezumab blieb sie konstant. Ein ähnlich divergentes Verhalten zeigte sich zum Teil auch bei den Konzentrationen von Beta-Amyloidfragmenten im Liquor und Plasma.

Die Autoren um Dr. Ann Hake interpretieren die Daten dahingehend, dass der Antikörper die Plaques stabilisiert, was auch immer das für die Patienten bedeuten mag.

Erfolg mit Adrenozeptor-Blocker

Nachdem mit kausalen Therapieansätze gegen Beta-Amyloid recht wenig Erfolge erzielt wurden, gibt es nun wenigstens wieder Hoffnung auf Fortschritte bei der symptomatischen Therapie.

In einer Phase-II-Studie gelang es Forschern um Juha Rouru aus Turku in Finnland mit einem Adrenozeptor-Blocker (ORM-12741), den Gedächtnisverlust stärker zu bremsen als mit einer alleinigen Standardtherapie aus Cholinesterase-Hemmern oder Memantine.

In der Studie behandelten sie 100 Patienten mit moderater Alzheimer-Erkrankung entweder mit alleiniger Standardtherapie plus Placebo oder mit der Standardtherapie und dem neuen Wirkstoff.

Nach drei Monaten beobachteten die Forscher deutliche Unterschiede zwischen den Therapiegruppen. Gemessen mit mehreren Skalen verschlechterte sich das Gedächtnis in der Gruppe mit alleiniger Standardtherapie um 33 Prozent, mit dem Adrenozeptor-Blocker verbesserte es sich hingegen um 4 Prozent.

Der Adrenozeptor-Blocker mit der Bezeichnung ORM-12741 wird von Orion Pharma entwickelt und blockiert gezielt den Alpha-2c-Subtyp des Rezeptors. Dieser Subtyp wird hauptsächlich im ZNS - Hippocampus und Striatum - exprimiert.

Einen komplett anderen Ansatz verfolgten Ärzte um Dr. Rebecca Wells von der Wake Forest School of Medicine in Winston-Salem. Sie schauten, ob Stressreduktion mithilfe eines speziellen Meditationsprogramms den geistigen Abbau bremsen kann.

Dazu boten sie in einer Studie neun Patienten, die zwar noch keine Alzheimerdemenz, aber bereits leichte kognitive Einschränkungen hatten, die Meditation an. Fünf vergleichbare Patienten erhielten keine spezielle Behandlung. Das Meditationstraining erfolgte einmal wöchentlich über acht Wochen, jede Sitzung dauerte zwei Stunden.

Tatsächlich war in der Meditationsgruppe der Hippocampus zum Studienende etwas weniger stark geschrumpft, auch fühlten sich die Patienten besser als in der Kontrollgruppe, die Unterschiede waren allerdings nicht signifikant, dafür war die Zahl der Patienten doch etwas zu klein oder der Effekt zu gering.

Deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen ergaben sich allerdings in der funktionellen MRT. So kommunizierten in der Gruppe mit Meditation das posteriore Cingulum und der mediale präfrontale Kortex etwas besser, ebenso war der Datentransfer zwischen Hippocampus und Cingulum erhöht.

Ob sich solche Effekte auch klinisch bemerkbar machen, müsste jetzt natürlich in länger dauernden und deutlich größeren Studien geprüft werden.

Etwas Hoffnung, mit bereits etablierten Therapien die Alzheimerkrankheit aufzuhalten, liefert eine neue Auswertung der Honolulu-Asia Aging Study. Die Kohortenstudie hatte schon vor einigen Jahren gezeigt, dass eine gute Blutdrucksenkung bei Hypertoniken mit einer deutlich erniedrigten Demenzrate einhergeht.

Wie Dr. Lisa DeAngelis vom wissenschaftlichen Organisationskommittee der AAN auf eine Pressekonferenz berichtet hat, deutet die aktuelle Auswertung nun darauf, dass Betablockern zur Demenzprävention offenbar besonders geeignet sind. Bei Autopsien zeigten Patienten mit diesen Antihypertensiva deutlich weniger Amyloidplaques sowie Mikroinfarkte.

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