Bei guter Vorbereitung können Diabetiker heute überallhin reisen

Wie sollte Insulin bei Hitze und Kälte transportiert werden? Wie wird die antidiabetische Therapie bei Durchfall angepaßt? - Diese und viele andere Fragen sind zu klären, wenn Diabetiker auf Reisen gehen. Bei guter Vorbereitung sind den Patienten aber heute praktisch keine Grenzen mehr gesetzt.

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Reiseapotheke für Diabetiker

Handgepäck

  • Diabetesmedikation (Insulin, orale Antidiabetika)
  • Insulinspritzen / Insulinpens
  • Kanülen für Spritzen / Pens
  • Blutzuckermeßgerät
  • Teststreifen für Blutzucker, Azeton und Harnzucker
  • Lanzetten
  • Stechhilfe
  • Traubenzucker, evtl. Glucagon
  • Zwischenmahlzeiten
  • Diabetes-Tagebuch
  • Diabetikerausweis mit Übersetzung in die Landessprache / mehrsprachig
  • Auslandskrankenschein,
  • Versichertenkarte
  • Adresse des Hausarztes

Gepäck

  • Vorräte an Medikamenten (Insulin, blutzuckersenkende Tabletten)
  • Vorräte an Teststreifen (Azeton, Blut- und Harnzucker)
  • Traubenzucker
  • Nahrungstabellen

    ... außerdem sollte noch eingepackt werden:

  • Verbandsmaterial (Pflaster, Kompressen, Mullbinden, elast. Binden)
  • Schere, Pinzette, Sicherheitsnadeln, Fieberthermometer
  • Wunddesinfektionsmittel
  • Repellent
  • Medikamente gegen Diarrhö (orale Rehydratation, Motilitätshemmer)
  • Schmerz- und Fiebermittel (Acetylsalicylsäure, Paracetamol)
  • Medikamente gegen Reise- oder Seekrankheit; Antiallergika, Antazida

(Lobmann)

Diabetiker fahren heute nicht mehr nur nach Österreich sondern auch in die Sahara. Egal wohin die Reise führt, sie ist immer mit ungewöhnlichen körperlichen Belastungen, meist unter verändertem Klima und mit ungewohntem Essen verbunden. Wie sich dabei medizinisch am besten vorsorgen läßt, können die Patienten am besten mit ihrem Hausarzt besprechen.

Was gehört zur Reiseberatung bei Diabetes? Empfohlen wird eine Kontrolluntersuchung vier bis sechs Wochen vor der Reise, bei der der Gesundheitspaß Diabetes aktualisiert und die aktuelle Blutzuckereinstellung und der HbA1c überprüft werden. Bei Typ-2-Diabetes werden zudem ein EKG und eventuell eine Ergometrie empfohlen. Der Internist Dr. Klaus Sterry aus Berlin rät, einige wesentliche Dinge zu klären:

  • Wie gut und wie stabil ist der Stoffwechsel eingestellt?
  • Wie ist der Patient geschult, wie gut sind die Compliance und die Selbstkontrolle?
  • Gibt es Organkomplikationen?
  • Welche Belastungen durch Klima, Stress und körperliche Anstrengungen oder auch Infektionen sind bei der Reise zu erwarten?

Ergeben sich dabei Hinweise auf Risiken, müssen die Patienten dazu intensiv beraten werden. Gelegentlich ist auch von einer Reise abzuraten. Als Kontraindikationen für Auslandsreisen überhaupt gelten unter anderem rezidivierende Ketonurie, häufigere schwere Hypoglykämien oder auch schwere Fußulzera sowie Organkomplikationen, bei denen eine ständige ärztliche Betreuung erforderlich ist. Problematisch sind Reisen zum Beispiel für Patienten mit autonomer Neuropathie, die Hypoglykämien nicht ausreichend wahrnehmen. Sie sollten nur in Begleitung von Vertrauenspersonen reisen, die Glucagon injizieren können.

Gefrieren schädigt Insulin

Bei der Lagerung von Insulin im Urlaub ist zu beachten, daß das Hormon seltener durch Hitze als durch Kälte geschädigt wird. Hitze über 40°C ist für Insulin aber zu meiden. Bei heißem Klima sollte es etwa in einer kalt ausgespülten Thermoskanne gelagert werden. Sehr schnell unwirksam wird Insulin durch Minustemperaturen. Optimal ist die Lagerung im Kühlschrank bei etwa 8°C.

Für die An- und Rückreise, sollten Diabetiker einen Drei-Tages-Bedarf an Medikamenten, Teststreifen, Spritzen und weiteren wichtigen Dingen im Handgepäck haben. Ständig verfügbar sein sollten zudem kleine kohlenhydratreiche Zwischenmahlzeiten sowie Traubenzucker zum Schutz vor Hypoglykämien. Eventuell sollte auch ein Glucagon-Notfallset mitgeführt werden und eine Begleitperson mit der Injektion von Glucagon vertraut sein.

Ebenfalls ins Handgepäck gehört ein Diabetiker-Ausweis in der Landessprache. Einen solchen Ausweis in 25 Sprachen von Professor Rüdiger Petzold gibt es zum Beispiel für 2,60 EUR beim Verlag Kirchheim (PF 2514, 55015 Mainz, Tel.: 06131 / 9607028). Bei Reisen ins Ausland ist zudem eine Bescheinigung für den Diabetikerbedarf (deutsch/englisch) nötig, um bei Grenzkontrollen wegen mitgeführter Spritzen oder Pens keine Probleme zu bekommen. Ein Formular dazu mit Angaben in neun Sprachen gibt es zum Beispiel beim Deutschen Diabetiker-Bund (DDB, LV Baden-Württemberg e.V., Reiner Hub, Offenbachstr. 12, 74629 Pfedelbach, dem Anschreiben einen mit 0,56 EUR frankierten Rückumschlag und 1,02 EUR in Briefmarken beilegen!).

Ferner muß für den Fall vorgesorgt werden, daß Medikamente während der Reise verloren gehen oder unwirksam werden. Patienten sollten sich dazu in ihrer Hausapotheke erkundigen, ob ihre Medikamente im Reiseland verfügbar sind oder welche Präparate dort alternativ angeboten werden. Für diese Medikamente sollten die Patienten dann Rezepte mit auf die Reise bekommen.

Hypoglykämie-Beratung

Wichtig für die Beratung sind zudem Verhaltensregeln bei Hypoglykämien sowie die Anpassung der Therapie bei Fieber oder auch Durchfall/Erbrechen. Patienten-Merkblätter hierzu hat die Tropenklinik Paul-Lechler-Krankenhaus in Tübingen zusammengestellt, sie sind im Internet abrufbar (www.tropenklinik.de, "Reisen mit Diabetes" anklicken!).

Auch die Fußpflege ist ein wichtiges Beratungsthema. Ungeeignete Schuhe bei Wanderungen, Verletzungen oder Verbrennungen durch heißen Sand oder Fliesen können zu komplizierten schlecht-heilenden Läsionen führen.

Wenn insulinabhängige Diabetiker lange Flugreisen planen, dann muß das Problem der Zeitverschiebung angesprochen werden. Bei Therapie mit dem langwirksamen Insulin glargin empfiehlt der Hersteller, den 24-Stunden-Rhythmus beim Spritzen beizubehalten: das heißt, werden zum Beispiel bei Reisen nach USA durch Zeitverschiebung sechs Stunden eingespart, dann wird während der Reise nach der aktuellen Ortszeit immer sechs Stunden früher als zuhause gespritzt.

Bei anderen Basalinsulinen wird empfohlen, die Dosis anzupassen. Als Faustregel gilt: Die binnen 24 Stunden zu verabreichende Insulindosis reduziert sich um den Bruchteil, der sich aus der Zeitverschiebung ergibt. Wer also Richtung Osten sechs Zeitzonen überfliegt, der sollte am Flugtag seine Insulindosis um sechs 24stel, also ein Viertel, reduzieren. Bei Reisen Richtung Westen muß die Dosis entsprechend erhöht werden, natürlich immer begleitet von Blutzuckerkontrollen. Ein Flugplan kann für Patienten im Internet erstellt werden (www.diabeteshaus.de oder www.minimed.de). (eis)

Bei www.diabetikerbund.de gibt es das Patientenmerkblatt "Diabetiker auf Reisen" ("Service" und "Reisetips" anklicken!)

Wichtige Tips für Diabetiker auf Reisen

  • Vor Reiseantritt ein Attest (deutsch / englisch) besorgen,
  • wichtige Utensilien - auch Traubenzucker und abgepackte kohlenhydratreiche Nahrungsmittel - sollten stets im Handgepäck mitführt werden,
  • geeignete und gut passende Schuhe mitnehmen,
  • ausreichend trinken und regelmäßig den Blutzucker testen,
  • Nachtfahrten mit dem Auto möglichst vermeiden,
  • sinnvoll ist es, sich vor Reiseantritt über die glykämische Wirkung von landestypischen Speisen und Getränken zu informieren,
  • unter www.diabeteshaus.de oder www.minimed.de lassen sich für die Dosisanpassung von Insulin individuelle Flugpläne - mit Zeitverschiebung - ausarbeiten,
  • man sollte bis zum Erreichen des Zielortes die gewohnte Zeitzone beibehalten,
  • Zeitverschiebungen bis vier Stunden können durch kurzwirksame Insuline ausgeglichen werden, bei weiterreichenden Verschiebungen wird zusätzlich Basalinsulin appliziert,
  • der Insulinbedarf auf Flügen Richtung Westen ist erhöht und nach Osten reduziert,
  • bei Reisen in wärmere Länder kann Insulin in einer kalt ausgespülten Thermoskanne oder in speziellen, im Handel erhältlichen kleinen Kühltaschen gelagert werden,
  • Insuline mit Ausflockungen, Schlieren oder Farbveränderungen müssen vernichtet werden, ebenso nach Gefrieren und Überschreiten des Verfalldatums.

(Lobmann) 

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