Die Selbstüberwachung der Blutglukose hat die Therapie von Diabetikern revolutioniert

Selbstmessen bedeutet Selbstverantwortung eines Diabetikers im Umgang mit seiner Krankheit. Und wer verantwortlich mit seiner Krankheit umgeht, hat weniger Folgeschäden und lebt länger.

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Was für Insulin-behandelte Diabetiker selbstverständlich ist, hilft auch allen anderen Diabetikern: die Selbstmessung der Blutglukose. Davon sind die Befürworter überzeugt. Ihre Argumente: Schwächen und Defizite im täglichen Lebensstil werden offenbar. Noch wichtiger fast ist der Motivationsfaktor, etwa wenn ein abendlicher Spaziergang zu niedrigeren Morgenwerten des Nüchternblutzuckers führt.

Machen stark auf weißen Zucker aufmerksam - schwarze Scrabble-Würfel.

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© Foto: imago/imagebroker/begsteiger

Manchmal lässt sich sogar Pharmakotherapie vermeiden

Gerade bei neu diagnostizierten Typ-2-Diabetikern kann man mit Lebensstil-Änderungen oft erreichen, dass keine Pharmakotherapie nötig wird. Davon ist Professor Stephan Martin vom Westdeutschen Diabetes und Gesundheitszentrum in Düsseldorf überzeugt.

Der Diabetologe hat in der deutschen epidemiologischen ROSSO-Studie nachgewiesen, dass Typ-2-Diabetiker, die regelmäßig selbst ihren Blutzucker kontrollieren, weniger oft Diabetes-Komplikationen erleiden als jene Patienten, die das nicht tun. Dazu kommt noch: Sie leben länger. Die Ergebnisse sollen jetzt in der prospektiven ROSSO-Praxisstudie bestätigt werden, die kürzlich begonnen hat.

Was die Blutzucker-Selbstmessung in Deutschland angeht, ist die Situation nicht ideal. Denn die Selbstkontrolle des Blutzuckers stellt viele Patienten noch vor Probleme, wie eine aktuelle Umfrage unter fast 1000 Diabetikern in Deutschland belegt hat.

Die Ergebnisse des 2007 veröffentlichten Blutzuckerselbstmanagement-Reports 2006 haben selbst Experten überrascht und zwar negativ. So hatte ein Drittel der Befragten noch nie an einer Diabetes-Schulung teilgenommen. Ein Drittel der Befragten wählt zur Messung die besonders schmerzempfindliche Mitte der Fingerkuppe, statt den weniger schmerzempfindlichen Seitenbereich. Die Lanzetten zur Blutgewinnung werden durchschnittlich achtmal benutzt, so ein weiteres Ergebnis der Befragung. Denn viele Anwender wissen offenbar nicht, dass die Lanzetten bei mehrfacher Anwendung abstumpfen.

Eine einheitliche Regelung zur wirtschaftlichen Verordnung von Teststreifen existiert nicht.

Eine einheitliche Regelung zur wirtschaftlichen Verordnung von Teststreifen existiert nicht.

© Foto: imago/Jochen Tack

Voraussetzung für den Nutzen der Blutzucker-Selbstkontrolle ist eine qualifizierte Schulung. Wenn ein Patient mit Diabetes verstanden hat, wie sich Ess- und Lebensgewohnheiten auf seinen Blutzucker auswirken, sind notwendige Änderungen im Lebensstil auch besser zu begreifen, sagt Professor Thomas Haak vom Diabeteszentrum Bad Mergentheim.

Nicht gerade erleichtert wird die Blutglukose-Selbstkontrolle durch die Tatsache, dass bei der Verordnung von Blutzucker-Teststreifen für Typ-2-Diabetiker große Verunsicherung herrscht. Generell gilt natürlich: Die Teststreifen sollten nur dann verschrieben werden, wenn die Behandlung des Diabetikers die Messung erfordert, und wenn der Patient in der Lage ist, daraus therapeutische Konsequenzen zu ziehen. Aber: Für die Verordnung von Blutzucker-Teststreifen, die definitionsgemäß zu den Arzneimitteln gehören und deshalb in die Berechnung der Arzneimittelausgaben und der Richtgrößen eingehen, gibt es keine bundesweit einheitliche Regelung. Viele KVen geben Empfehlungen, wie viele Teststreifen pro Quartal verordnungsfähig sind.

Ein wichtiger Punkt, der auch in Schulungen gelernt werden sollte, ist das richtige Messen. Dazu gehört auch, dass das Messen schmerzarm ist. Denn die Patienten, die sich dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt fühlen, bleiben bei der Selbstkontrolle leichter bei der Stange. Zum Erfolg gehört auch der richtige Umgang mit den Messstreifen. Denn das sind empfindliche Hightech-Produkte.

Ein Drittel aller Selbstmessenden stechen so und tun sich auf diese Weise unnötig weh.

Ein Drittel aller Selbstmessenden stechen so und tun sich auf diese Weise unnötig weh.

© Foto: KPA_ROYAL

Nachschulung bei Apothekern kann sinnvoll sein

Trotz Schulung am Gerät kommen Fehler recht häufig vor. Hier hat eine Studie gezeigt, dass es sinnvoll sein kann, wenn Apotheker die Ärzte mit individuellen Nachschulungen unterstützen. Auf diese Weise ließ sich die Fehlerrate halbieren.

Werte, die gemessen wurden, müssen dokumentiert und beim behandelnden Arzt besprochen werden. Hierbei helfen moderne Techniken. Mit Hilfe des Internets können heute schon Diabetes-Tagebücher ohne großen Aufwand geführt werden.

Am individuell passenden Gerät sollte es nicht scheitern. Denn die gibt es für aktive, berufstätige Patienten wie für Diabetiker mit körperlichen Einschränkungen. Für Blinde ist heute schon eine Sprachausgabe möglich. (Rö)

Lesen Sie mehr im Special: Blutzucker-Selbstmessung

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