Das Inkretin-Konzept: Revolution der Therapie für Typ-2-Diabetiker

GLP1 ist das wichtigste Darmhormon für die Insulinsekretion. Seine Wirkung wird durch ein Mimetikum imitiert oder durch Hemmung des abbauenden Enzyms DPP4 erreicht.

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Deutsche Wissenschaftler - besonders die Gruppe von Creutzfeldt, Nauck, Göke, Schmidt, Gallwitz und anderen - haben eine intensive Inkretinforschung betrieben, bei der Nauck schon vor 20 Jahren günstige Auswirkungen auf den Stoffwechsel durch das Darmhormon GLP1 (Glukagon like Peptide 1) feststellte.

Dass man sich dieses sogenannten Inkretinkonzeptes - GLP1 ist dabei das wichtigste Darmhormon - therapeutisch zunächst nicht bedient hat, hat zwei Gründe: GLP1 ist ein Eiweißhormon, das man oral nicht einnehmen kann, weil es dann sofort verdaut wird. Man kann es aber auch nicht injizieren, da die Halbwertszeit nur ein bis zwei Minuten beträgt.

So schlummerte dieses interessante Therapieprinzip lange Zeit, bis vor einigen Jahren der Anlauf für eine erfolgreiche Therapie gemacht wurde. Dabei muss man unterscheiden zwischen GLP1-Mimetika oder -Analoga, bei denen man - wie das für Exenatid und Liraglutid erfolgreich geschehen ist - GLP1-Effekte auf den Stoffwechsel imitieren kann, und zum anderen DPP4-Hemmer, wie Sitagliptin, Vildagliptin und Saxagliptin, die das GLP1-abbauende Enzym DPP4 hemmen und damit eine 24-Stundenwirkung des körpereigenen Inkretins ermöglichen.

Wo liegen die Unterschiede beider Therapieprinzipien, wo die Indikationen in der Therapie von Typ-2-Diabetikern? Exenatid soll zweimal täglich gespritzt werden, Liraglutid nur einmal. Beide bewirken außer einer starken Blutzuckersenkung eine deutliche Appetithemmung und eine Gewichtsabnahme der behandelten Patienten. DPP4-Hemmer hingegen werden oral verabreicht, wirken kaum auf Körpergewicht und Appetit, machen nicht - wie häufig bei den Mimetika beobachtet - am Anfang Übelkeit und sind in den Tageskosten halb so teuer.

Welche Wirkungen hat nun das GLP1, dessen Wirkung man durch die Mimetika imitiert oder durch DPP4-Hemmer zur Wirkung bringt? Drei Faktoren sind wichtig:

1. Die Substanzen wirken insulinotrop, das heißt, sie regen die Insulinsekretion an, tun dies aber im Gegensatz zu den Sulfonylharnstoffen und Gliniden nur, wenn der Blutzucker erhöht ist. Es gibt also definitiv keine Hypoglykämien.

2. Die Substanzen wirken zusätzlich nicht insulinotrop, das heißt über die Bremsung der bei Typ-2-Diabetikern erhöhten Glukagonsekretion.

3. Sehr spannend: Es gibt tierexperimentelle und erste humanmedizinische Hinweise auf einen betazellprotektiven Effekt der Stoffe, indem das GLP1 der fortschreitenden Apoptose der Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse entgegenwirkt. Die DPP4-Hemmer sind vorzugsweise in Kombination mit Sulfonylharnstoffen (wenig geeignet), Glitazonen (problematisch) wohl aber mit Metformin (Therapie der Wahl) einsetzbar.

Die Kombination mit Metformin, also jenem oralen Antidiabetikum, an dem sich alle Präparate messen müssen, ist auch deswegen besonders günstig, da die Substanz über ihren eigenen blutzuckersenkenden Effekt hinaus die Sekretion von GLP1 stimuliert und damit den Gliptinen für ihren verzögerten GLP1-Abbau sozusagen zuarbeitet. Es ist meine feste Überzeugung, dass die DPP4-Hemmer und die GLP1-Mimetika die Sulfonylharnstoffe früher oder später ablösen werden.

Professor Hellmut Mehnert

Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten - diesen Themen widmet sich Professor Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren. 1967 hat Mehnert die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht.

Er hat auch das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland ins Leben gerufen. Mehnert ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

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