Diabetes: Ruf nach dem Masterplan

Jeden Tag erkranken in Deutschland 700 Menschen neu an Typ-2-Diabetes. Die stark steigende Zahl Betroffener ist ein wichtiges Thema des heutigen Welt-Diabetes-Tages. Diabetes-Organisationen fordern einen "Nationalen Diabetesplan", um die Epidemie zu bremsen.

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Bei solchen dicken Männerbäuchen ist in der Regel das Risiko für Typ-2-Diabetes erhöht.

Bei solchen dicken Männerbäuchen ist in der Regel das Risiko für Typ-2-Diabetes erhöht.

© Tish1 / shutterstock.com

NEU-ISENBURG (eis). "Handeln Sie jetzt!" ist das Motto des heutigen internationalen Welt-Diabetes-Tages.

An dem Aktionstag sollen die politischen Forderungen des Spitzentreffens bei den Vereinten Nationen (UN) in New York im September diskutiert werden.

Bei dem Treffen hatten sich Politiker weltweit erstmals über Maßnahmen gegen die starke Zunahme nicht-infektiöser Krankheiten wie Adipositas und Diabetes ausgetauscht.

Regierung soll einen Plan entwickeln

Die International Diabetes Federation (IDF) hatte zu dem Treffen einen Aktionsplan entwickelt.

Entsprechende Forderungen für einen "Nationalen Diabetesplan" haben Diabetes-Organisationen in Deutschland kürzlich erarbeitet. Ein solcher Plan wird von UN und EU gefordert.

Die Diabetes-Organisationen drängen die Bundesregierung, baldmöglichst einen solchen Plan zu entwickeln.

Mögliche Inhalte eines solchen Papiers haben die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) und diabetesDE vorgestellt:

Primäre Prävention: Diabetes ist mit etwa sieben Millionen betroffenen Menschen schon heute eine der häufigsten Volkskrankheiten in Deutschland. Die Inzidenz steigt konstant - jeden Tag erkranken in Deutschland über 700 Personen neu an Typ-2-Diabetes, pro Jahr circa 270.000 Menschen.

Bereits heute ist in Deutschland fast jeder Dritte über 70-Jährige Diabetiker. Zudem beginnt der Typ-2-Diabetes immer früher, immer häufiger sind auch Kinder und Jugendliche betroffen. Abgesehen vom schweren Leid der Patienten und ihrer Angehörigen steht auch das Gesundheitssystem vor einer großen Herausforderung.

Die Behandlung gegen Diabetes und die Folgekomplikationen wird schon bald ohne Leistungsbegrenzungen und Qualitätseinbußen nicht mehr zu finanzieren sein.

Für die Prävention von Typ-2-Diabetes gibt es trotz einer großen Anzahl empirischer Daten zur Effektivität und der Effizienz von Maßnahmen bisher keine systematischen Ansätze, wie diese in Deutschland umgesetzt werden können: Dies gilt es unbedingt zu verbessern.

Früherkennung: Ergebnisse aus bevölkerungsbasierten Erhebungen (KORA-Studie) deuten darauf hin, dass auch in Deutschland die Zahl unentdeckter Diabetiker sehr hoch ist.

Sowohl in der Altersgruppe der 35- bis 59-Jährigen als auch in der Gruppe der 55- bis 74-jährigen Personen kommt nach den vorliegenden Zahlen auf eine diagnostizierte Diabetes-Erkrankung eine Unentdeckte.

Damit ist die Gesamtzahl aller Menschen mit Diabetes in Deutschland deutlich höher als angenommen. Zusätzlich leiden elf Prozent (35 bis 59 Jahre) beziehungsweise 16 Prozent (55 bis 74 Jahre) an der Vorstufe eines Diabetes (Prädiabetes).

Personen mit einem unentdeckten Diabetes haben ein deutlich erhöhtes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko. Es sollte daher ein wichtiges Ziel des "Nationalen Diabetesplans" sein, die Früherkennung von Typ-2-Diabetikern zu verbessern, da eine gute Diabeteseinstellung schon zu Beginn der Erkrankung deutliche Vorteile bringt.

Epidemiologie, Register: Trotz der hohen individuellen und gesellschaftlichen Belastung durch Diabetes liegen für die deutsche Bevölkerung nur wenige verlässliche Daten zur Häufigkeit des Diabetes und Prädiabetes vor.

Diese wären jedoch zur Planung und Steuerung von gezielten Maßnahmen zur Prävention und besseren Versorgung von Diabetespatienten eine unabdingbare Voraussetzung.

Auch fehlen systematische Daten zur Behandlung des Diabetes in Deutschland und deren Ergebnisse. Erforderlich wäre daher der Aufbau von epidemiologischen und klinischen Diabetesregistern.

Durch die verlaufsbegleitende, sektorenübergreifende Dokumentation sollen diese Register auch zur Darstellung der diabetologischen Versorgungsqualität, zur Qualitätsberichterstattung sowie zur Schaffung von Qualitätstransparenz in der diabetologischen Versorgung beitragen.

Versorgungsforschung: Trotz erster guter Ansätze gibt es in Deutschland massive Defizite der diabetologischen Versorgungsforschung, was eine wichtige Voraussetzung für die Verbesserung der Versorgung und Etablierung effektiver und effizienter Qualitätssicherungsmaßnahmen darstellt.

Für die Sicherstellung einer effektiven wie auch effizienten diabetologischen Versorgung sind auch dringend neue sektorenübergreifende Versorgungsstrukturen zwischen den unterschiedlichen ambulanten und stationären Leistungsanbietern zu entwickeln und zu erproben.

Der Aufbau von Maßnahmen der vergleichenden Qualitätssicherung erlaubt es Patienten, Ärzten und Krankenkassen zudem, Unterschiede in der Qualität der Versorgung zu erkennen.

Information und Schulung: Die Stärkung der Rolle der Patienten ist ein weiteres wichtiges Handlungsfeld für eine Verbesserung der Versorgungssituation.

Hierbei spielt das Angebot einer strukturierten Schulung von Patienten eine wichtige Rolle. Allerdings ist der Anteil nicht geschulter Patienten trotz verbesserter Rahmenbedingungen durch die DMP-Programme noch immer hoch, die Lebensqualität von Menschen mit Diabetes reduziert.

Psychische Erkrankungen wie Depressionen treten im Zusammenhang mit Diabetes etwa doppelt so häufig auf wie in der Normalbevölkerung.

Im Rahmen des Nationalen Diabetesplans sollen daher Maßnahmen entwickelt werden, um Patienten eine gezielte Unterstützung zu geben, auf der Basis selbstbestimmter Entscheidungen besser mit dem Diabetes und dessen Folgen umzugehen sowie soziale Folgen der Erkrankung zu vermeiden.

www.welt-diabetes-tag.de

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