Mehnert-Kolumne

Langes Leben trotz Diabetes

Eine konsequente Insulin-Therapie und ein gesunder Lebensstil können Patienten mit Typ-1-Diabetes ein langes Leben bescheren.

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Prof. Hellmut Mehnert

Arbeitsschwerpunkte: Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselleiden: Diesen Themen widmet sich Prof. Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren.

Erfahrungen: 1967 hat er die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht sowie das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.

Ehrung: Er ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

Die Diabetes-Klinik in Bad Mergentheim organisiert regelmäßige Langzeitdiabetikertreffen für Typ-1-Patienten. Diese Zusammenkünfte dienen sowohl dem Erfahrungsaustausch als auch der Fortbildung der Patienten.

Außenstehende sind immer wieder überrascht, wie gut Insulin und ein gesunder Lebensstil heute Betroffenen ein langes Leben bescheren können.

So hat dieses Frühjahr an dem Treffen ein 85-jähriger Patient aus Regensburg teilgenommen, der schon seit 84 Jahren Diabetes hat.

Der Teilnehmer mit dem zweitlängsten Typ-1-Diabetes hatte die Krankheit auch schon 75 Jahre. Solche positiven Beispiele können Patienten heute durchaus zu einer konsequenten Therapie motivieren.

Die Frage drängt sich auf, warum die meisten Menschen mit Diabetes aber weiter schwere Folgekrankheiten bekommen und viel früher sterben? Wie lassen sich etwa Retinopathie, Nephropathie oder auch kardiovaskuläre Probleme vermeiden?

Wichtig und immer wieder unterschätzt wird die Nephropathie. Diabetiker sterben hochsignifikant häufiger an Herzinfarkt, wenn gleichzeitig eine Nephropathie besteht.

Daraus lässt sich schließen: Vermeidung von Niereninsuffizienz - etwa durch strikte Einstellung von Zucker und Blutdruck - könnte die kardiovaskuläre Prognose verbessern.

Begrenzt wird das Engagement allerdings dadurch, dass ja oft auch genetische Faktoren für das Entstehen von Mikro- und Makroangiopathien bedeutsam sind.

Auch viele Typ-1-Patienten sind dick

Zu bedenken ist auch: Als Sauer und Elster von Elstermann in Bad Oeynhausen früher ihre Langzeit-Typ-1-Diabetiker zusammenstellten, waren diese durchweg schlank.

Heute sind nicht nur die meisten Typ-2-Diabetiker, sondern auch 50 Prozent der Typ-1-Diabetiker übergewichtig oder adipös. Das könnte die Prognose durchaus verschlechtern.

Auch bei Typ-2-Diabetes rückt die Langzeitprognose zunehmend in den Fokus. An der früher als Altersdiabetes bezeichneten Krankheit leiden heute ja immer mehr jüngere Erwachsene und sogar Teenager und Kinder.

Sie sind in der Regel massiv übergewichtig und haben genetisch eine Typ-2-Diabetes-Familienanamnese. Der Auslöser der Krankheit ist dann falsche Ernährung und mangelnde körperliche Aktivität.

Die Entstehungsgeschichte dieser Krankheitsbilder ist noch relativ kurz. Das Problem könnte sich aber im Laufe der nächsten Jahre und Jahrzehnte ausweiten. Schon jetzt sind in den USA in einzelnen Regionen 40 Prozent der zuckerkranken Kinder und Jugendlichen Typ-2-Patienten.

In Deutschland dürfte dieser Anteil aktuell bei vier bis fünf Prozent der jungen Diabetiker liegen. Solche Patienten könnten natürlich durch eine entsprechende Änderung des Lebensstils wieder in das nichtdiabetische Stadium zurückgeführt werden.

Ihre Lebenserwartung wäre dann nahezu normal. Allerdings gibt es keine echte Heilung. Sie können zwar durch Gewichtsreduktion wieder in die nicht- oder prädiabetische Situation gelangen.

Man muss aber damit rechnen, dass sich das erhöhte Erkrankungsrisiko infolge von Ernährungs- und Bewegungsfehlern im Kindesalter dann nach Jahrzehnten einer Remission im Alter eben doch als Typ-2-Diabetes manifestiert, auch wegen progredienten Nachlassens der körpereigenen Insulinproduktion.

Gestationsdiabetes und Prävention

Ähnliches sieht man bei Frauen mit Gestationsdiabetes. Bei ihnen stellt die Schwangerschaft gleichsam die Provokation dar und führt zu erhöhten Blutzuckerwerten.

Betroffene verlieren zwar in der Regel nach der Entbindung den während der Gravidität erworbenen Diabetes.

Etwa 50 Prozent der Frauen bekommen dann im Laufe des Lebens aber doch noch einen Typ-2-Diabetes. Wichtig für solche Menschen ist daher eine lebenslange Diabetes-Prävention.

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