Mehnert-Kolumne

Sieben vermeidbare Diabetes-Fehler

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Prof. Hellmut Mehnert

Arbeitsschwerpunkte: Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselleiden: Diesen Themen widmet sich Prof. Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren.

Erfahrungen: 1967 hat er die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht sowie das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.

Ehrung: Er ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

Sieben gravierende Fehler sollten bei der Behandlung von Patienten mit Diabetes vermieden werden.

1. Schulungen werden vernachlässigt: Noch immer werden Typ-1- und vor allem Typ-2-Diabetiker nicht richtig geschult. Jede Diabetestherapie sollte aber mit einer Schulung beginnen! Es gibt mehrere gute Programme - etwa "Medias 2" für Typ-2- und "Primas" für Typ-1-Diabetiker.

2. Eskapaden bei der Ernährung: In der Ernährungstherapie müssen Extreme wie eine fast kohlenhydratfreie, stark fettreiche Ernährung ebenso vermieden werden wie das Gegenteil.

Unnötig sind die sogenannten diätetischen Lebensmittel, die aufgrund einer vernünftigen Gesetzgebung durch das Bundesgesundheitsministerium inzwischen auch so nicht mehr genannt werden dürfen.

3. Bewegung wird falsch bewertet: Patienten müssen zu der absolut notwendigen Bewegung beraten werden. Übertriebener Sport ist zu vermeiden (etwa zu schnelles Joggen oder zu lange Laufstrecken).

Oft sind Herz-Kreislauf und Gelenke eines Patienten vor Aufnahme eines Bewegungsprogramms nicht genügend ärztlich untersucht worden und die Bewegung wird nicht auf die körperliche Verfassung abgestimmt.

4. Metformin wird unterschätzt: Das Antidiabetikum Metformin ist der große Gewinner der UKPDS, der wichtigen Langzeitstudie mit über 5000 frisch manifestierten Typ-2-Diabetikern. Kontraindikationen von Metformin werden häufig überbewertet.

Die wirkliche Kontraindikation ist die Niereninsuffizienz! Die Substanz ist hervorragend mit anderen oralen Antidiabetika kombinierbar, was in den Leitlinien zu Recht empfohlen wird. Zu beachten ist auch der beobachtete antikarzinogene Effekt.

Von den insulinotropen Antidiabetika sollten Sulfonylharnstoffe immer seltener und dafür bevorzugt DPP-4-Hemmer (Gliptine) eingesetzt werden (keine Hypoglykämien!).

5. Falsche Ziele beim HbA1c: Zur Vermeidung von Hypoglykämien werden zu hohe Werte in Kauf genommen. Umgekehrt wird aber auch auf zu tiefe Werte hingearbeitet (HbA1c um 6 Prozent wie in der ACCORD-Studie). Damit werden Hypoglykämien riskiert. Herz und Hirn hassen Hypos!

Schwere Unterzuckerungen mit Fremdhilfebedarf fördern Infarkte und Demenz! Ob auch leichte Unterzuckerungen Schäden begünstigen, ist unklar.

Vor allem zu Beginn des Diabetes sollte eine etwas über der Normoglykämie liegende Einstellung anvisiert werden. Im Langzeitverlauf sind später bei Typ-2-Diabetikern mit kardiovaskulärer Vorschädigung mildere Kriterien zu wählen (HbA1c bis 8,5 Prozent).

6. Zu späte Insulinbehandlung: Nach Umstieg von oralen Antidiabetika auf Insulin oder auf die basal gestützte orale Therapie (BOT) können besonders alte Menschen mit Diabetes geradezu aufblühen.

Zu vermeiden ist eine allzu starke Gewichtszunahme. Natürlich kann man hier auch die Vorteile der Analoga ausnützen.

Unter "ISI" versteht man "incretin supported insulin therapy" (oder auch "insulin supported incretin therapy") - also die Kombination von Inkretin-Analoga mit einem lang wirkenden Insulin.

Die Kombination von Insulinanaloga (Wirkung besonders auf den Nüchternblutzucker) und GLP-1-Agonisten (Vermeidung postprandialer Spitzen) bewährt sich.

7. Glucozentrisches Weltbild: Zu vermeiden ist ein isoliertes Weltbild, bei dem nur auf Blutzucker und HbA1c gestarrt wird.

Die STENO-2-Studie hat gelehrt: Ärzte müssen sich ausreichend auch um die Behandlung von Hypertonie und Dyslipoproteinämie sowie um den Abbau von Übergewicht und den Einsatz von körperlicher Bewegung kümmern.

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