Künstliches Pankreas

Vielversprechend für Schwangere mit Diabetes

Bei Schwangeren mit Typ-1-Diabetes ist ein Closed-Loop-Pumpensystem, das die Insulinpumpe direkt steuert, einer sensorunterstützten Pumpentherapie überlegen: Die Glukosewerte liegen damit häufiger im Normbereich, ohne dass es vermehrt zu Hypoglykämien kommt.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Schwangere mit Diabetes: Eine Insulinpumpe wird angelegt.

Schwangere mit Diabetes: Eine Insulinpumpe wird angelegt.

© Mathias Ernert, Universitätsfrauenklinik Heidelberg

Eine Schwangerschaft führt bei Typ-1-Diabetikerinnen nicht nur zu einem zwei- bis dreifach erhöhten Insulinbedarf im zweiten und dritten Trimester, die Glukosewerte unterliegen zum Teil deutlichen Schwankungen. Trotz häufiger Kontrollen würden die Werte etwa die Hälfte der Zeit über dem Normbereich und drei bis vier Stunden täglich unter den Normwerten liegen, berichten Stoffwechselforscher um Dr. Zoe Stewart von der Universität in Cambridge. Schwangere sollten daher von halb- oder vollautomatischen Pumpentherapien profitieren, bei denen die Blutzuckerwerte kontinuierlich gemessen werden (Continuous Glucose Monitoring, CGM).

Etabliert sind bereits sensorunterstützte Pumpensysteme (SuP). Dabei werden Nadelsensoren in das subkutane Gewebe gesetzt, die die Glukosekonzentration in der Gewebeflüssigkeit messen. Die Werte werden auf einem Monitor angezeigt, die Patienten müssen aber noch selbst darauf reagieren und die Pumpe entsprechend einstellen. In der Regel verfügen solche Systeme über eine Warnfunktion: Wenn die Zuckerwerte zu stark abfallen, schlagen sie Alarm und schalten die Insulinpumpe für einige Zeit ab (Low Glucose Suspend, LGS).

Weitgehend autonome Steuerung

Weitgehend autonom steuern jedoch Closed-Loop-Systeme (CLS) die Insulinpumpe. Per Computeralgorithmus wird aus den Messwerten die geeignete Insulindosis ermittelt und automatisch abgegeben. Allerdings ist es nicht einfach, die Pumpe so zu programmieren, dass sie richtig auf die Messwerte reagiert – ganz optimal funktioniert auch ein solches "künstliches Pankreas" noch nicht. Ob ein derartiges System für Schwangere geeignet ist, haben die Forscher um Stewart nun in einer kleinen Studie mit 17 Frauen in der 8. bis 24. Schwangerschaftswoche geprüft. Danach gelingt die Blutzuckerkontrolle per CLS tatsächlich deutlich besser als mit einem sensorunterstützten System (N Engl J Med 2016; 375: 644).

Die Frauen benötigten alle eine intensive Insulintherapie, entweder über multiple tägliche Injektionen oder über eine Insulinpumpe. Ein Teil der Frauen bekam zunächst nachts für vier Wochen das CLS, die übrigen das SuP. Anschließend wurde gewechselt. Nach dieser randomisierten Phase konnten sie wählen, welches der beiden Systeme sie durchgehend (tags und nachts) bis zur Entbindung tragen wollten. 14 favorisierten das CLS. Die Algorithmen für das CLS waren auf einem Tablet-Computer untergebracht, diesen mussten die Teilnehmerinnen stets in der Nähe tragen. Alle zwölf Minuten ermittelte das System den Insulinbedarf, Bolusdosen vor Mahlzeiten mussten aber noch manuell eingestellt werden. Während der jeweils vier Wochen dauernden nächtlichen Testphasen lagen die Blutzuckerwerte mit dem CLS bei 75 Prozent der Patienten im angestrebten Normbereich zwischen 63 und 140 mg/dl. Dies war mit dem SuP nur bei knapp 60 Prozent der Patienten der Fall.

Vor allem Blutzuckerspitzen korrigiert

Mit dem CLS wurden vor allem Blutzuckerspitzen korrigiert. So lagen die Blutzuckerwerte nur während einem Viertel der Zeit über 140 mg/dl und zu 7,4 Prozent über 180 mg/dl. Mit dem SuP lag der Anteil jeweils bei 39 und 15,7 Prozent, die Unterschiede waren statistisch signifikant. Im Mittel maßen die Sensoren beim CLS einen Wert von 119 mg/dl, mit dem SuP waren es 133 mg/dl. Zu niedrige Werte traten mit beiden Systemen recht selten auf – während weniger als 2 Prozent der Zeit. Hier gab es keine signifikanten Differenzen.

Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den 14 Frauen, die später das CLS kontinuierlich verwendeten. Auch hier waren die mittleren Glukosespiegel signifikant geringer (128 versus 137 mg/dl) und erhöhte Werte seltener als in der SuP-Gruppe, wohingegen Hypoglykämien ähnlich häufig auftraten (im Median 11 versus 12). Mit der Geburt kam das CLS ebenfalls gut zurecht: Sowohl in den 24 Stunden vor als auch in den zwei Tagen nach der Geburt ergab das Glukosemonitoring keine größeren Zuckerabweichungen, die Normwerte wurden vor der Geburt zu 87 Prozent und danach zu 74 Prozent eingehalten. Unterschreitungen konnten die Studienärzte vor der Geburt während 0,5 Prozent der Zeit und danach überhaupt nicht feststellen.

Aus dieser Studie lassen sich nach Auffassung der Wissenschaftler um Stewart drei wesentliche Schlüsse ziehen: Obwohl sensorunterstützte Systeme bereits eine gute glykämische Kontrolle ermöglichen, lässt sich diese mit den Closed-Loop-Systemen weiter verbessern. Mit CLS werden deutlich niedrigere mittlere Zuckerwerte erreicht, ohne dass es vermehrt zu Hypoglykämien kommt. Schließlich scheinen sich CLS für eine dauerhafte Anwendung bei Schwangeren zu eignen – auch um den Geburtszeitpunkt herum.

Mehr zum Thema

Doppelter Nutzen

SGLT2-Hemmer sind bei Diabetes und Fettleber im Vorteil

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Lesetipps
Der Patient wird auf eine C287Y-Mutation im HFE-Gen untersucht. Das Ergebnis, eine homozygote Mutation, bestätigt die Verdachtsdiagnose: Der Patient leidet an einer Hämochromatose.

© hh5800 / Getty Images / iStock

Häufige Erbkrankheit übersehen

Bei dieser „rheumatoiden Arthritis“ mussten DMARD versagen