Sorge um Nachwuchs, Innovation und wirksame Prävention

Eher Stillstand und viel Symbolpolitik – das ist die gesundheitspolitische Bilanz der nun ablaufenden Legislaturperiode für die Versorgung von Menschen mit Diabetes.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

BERLIN/AACHEN. Sorgen um ausreichenden Nachwuchs an Diabetologen, eine schmalbrüstige Finanzierung der Diabetologie durch die Fallpauschalen für die Krankenhäuser, anhaltende Unsicherheiten beim Umgang mit Innovationen in der frühen Nutzenbewertungen und schließlich eine Präventionspolitik, die sich als eher symbolisch erweist – das ist die ernüchternde gesundheitspolitische Bilanz der nun ablaufenden Legislaturperiode aus Sicht der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG).

Vor diesem Hintergrund fordert DDG-Präsident Professor Dirk Müller-Wieland, in der nächsten Legislaturperiode die Fördermittel für Arztstellen in der fachärztlichen Weiterbildung deutlich aufzustocken. Nach gegenwärtiger Rechtslage können bis zu 1000 Weiterbildungsstellen von Kassenärztlichen Vereinigungen und Kassen gefördert werden.

Notwendig seien ferner Korrekturen am DRG-System. Die Diabetologie sei eine überwiegend sprechende Medizin und in den Fallpauschalen der Kliniken unterbewertet. Das habe dazu geführt, dass die Zahl selbstständiger diabetologischer Einheiten in den Krankenhäusern gesunken sei. Der Bedarf an dieser Kompetenz steige aber. Zwischen 20 und 30 Prozent aller Krankenhauspatienten haben inzwischen die Nebendiagnose Diabetes.

Bei der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen fordert Müller-Wieland Verfahrensveränderungen: Insbesondere müssten medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften mit ihrer klinischen Expertise frühzeitig i bei der Festlegung der zweckmäßigen Vergleichstherapie und der Einschätzung des medizinischen Standards eingebunden werden. Es reiche nicht aus, wenn sich der Bundesausschuss bei seiner Entscheidung, im Wesentlichen auf das Gutachten des IQWiG und das Urteil der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft abstütze.

Enttäuscht ist die Deutsche Diabetes-Gesellschaft von der Präventionspolitik der Koalition – auch wenn es gelungen sei, nach mehreren gescheiterten Anläufen ein Präventionsgesetz zu verabschieden. Dr. Dietrich Garlichs, der Vorstandsbeauftragte der DDG, sieht in der Praxis der Präventionspolitik einen schweren Konstruktionsfehler: Prävention in Lebenswelten sei eine gesamtgesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe – von Krankenkassen, die im Wettbewerb zueinander stehen, sei eine Erfüllung einer solchen Aufgabe nicht zu erwarten.

Es mangele auch an einer zielgerichteten Strategie, mit der vulnerable Teil der Bevölkerung und insbesondere auch Kinder erreicht werden. Übergewicht und Fehlernährung als Hauptursachen für Diabetes sind bei bildungsfernen Angehörigen der Unterschicht besonders häufig.

Besonders scharfe Kritik übt Garlichs am Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung: Es schaffe mit dem Zentrum für Ernährung ineffiziente Parallelstrukturen und betreibe mit seiner Reduktionsstrategie reine Symbolpolitik. Für die Senkung von Fett und Zucker in Lebensmitteln seien keine Zielwerte vorgegeben, es würden keine Zeiten definiert, innerhalb derer bestimmte Ziele erreicht werden sollen, und es sind keine Sanktionen vorgesehen. Andere Länder wie etwa Großbritannien seien wesentlich konsequenter.

Mehr zum Thema

Doppelter Nutzen

SGLT2-Hemmer sind bei Diabetes und Fettleber im Vorteil

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Rechtzeitig eingefädelt: Die dreiseitigen Verhandlungen zwischen Kliniken, Vertragsärzten und Krankenkassen über ambulantisierbare Operationen sind fristgerecht vor April abgeschlossen worden.

© K-H Krauskopf, Wuppertal

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“