Hintergrund

Aufgabe der neuen Regierung: Konsequente Strategie gegen die Diabetes-Epidemie

Angesichts der epidemischen Zunahme von Diabetes-Patienten in Deutschland, muss die nächste Bundesregierung die Prävention und die Versorgung stärken, betont die Deutsche Diabetes-Gesellschaft. Dazu müsse der Nationale Diabetesplan umgesetzt werden.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Blutzuckermessung: Management der Werte ist ein Ziel der digitalen Transformation.

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© fovito / Fotolia

Die Diabetes-Epidemie in Deutschland zu bremsen und die Versorgung der rund 6,7 Millionen betroffenen Patienten zu verbessern ist in den Augen der meisten Ärzte eine besonders wichtige Aufgabe für die künftige Bundesregierung. So haben sich in einer Umfrage der "Ärzte Zeitung" 72 Prozent von über 1500 teilnehmenden Lesern für "eine konsequente Präventions-und Diabetes-Strategie" als eine "notwendige gesundheitspolitische Reform in der nächsten Legislaturperiode" ausgesprochen.

Besonders die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) drängt hier auf nachhaltige Lösungen: "Die politisch Verantwortlichen dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass die Bekämpfung der Volkskrankheit Diabetes angesichts der alternden Bevölkerung eine der größten gesellschaftspolitischen Herausforderungen ist", betont DDG-Präsident Professor Dirk Müller-Wieland in einer Mitteilung seiner Fachgesellschaft. Unter dem Titel "Politik und Diabetes: jetzt handeln!" fordert die DDG die Umsetzung des Nationalen Diabetesplans. Dazu gehören Maßnahmen zur Verhaltensprävention wie beispielsweise die Einführung einer Zucker-Fett-Steuer sowie Rahmenbedingungen zur Sicherung der Versorgung und Forschung. Vorangetrieben werden müsse auch die Digitalisierung, die große Chancen für die fachliche Vernetzung und flächendeckende Versorgung bietet.

"Gesunder Lebensstil muss gefördert werden"

"Die Politik muss es den Menschen erleichtern, einen gesundheitsbewussten Lebensstil zu pflegen", fügt DDG-Mediensprecher Professor Baptist Gallwitz in der Mitteilung hinzu. Ein Paradigmenwechsel der Präventionspolitik hin zu einer Verhältnisprävention sei längst überfällig. Mithilfe eines Nationalen Diabetesplans können die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, so die DDG. Als eine wesentliche Maßnahme fordert die Fachgesellschaft gemeinsam mit anderen Diabetes-Organisationen die Mehrwertsteuerbefreiung für gesunde Lebensmittel mit einem niedrigen Gehalt an Zucker, Fetten und Salzen. "Das schafft Anreize für eine gesunde Ernährung, ohne den Bürger zu belasten", so Gallwitz. Eine verpflichtende Kennzeichnung aller Lebensmittel mit einem leicht verständlichen Ampel-System sei ebenfalls erforderlich. Darüber hinaus empfiehlt die DDG ein Verbot von Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder und Jugendliche richtet. Um sicherzustellen, dass Prävention und Therapie ressortübergreifend und dauerhaft im Fokus der Politik stehen, erwartet die DDG in der kommenden Legislaturperiode auch die Benennung eines Beauftragten der Bundesregierung für Diabetes, Adipositas und Prävention.

"Ausbildung an Universitäten stärken!"

Die DDG sorgt sich zudem um die Ausbildung von Fachärzten an Universitäten: Klinische Lehrstühle für Diabetologie und selbstständige diabetologische Fachabteilungen fallen immer häufiger dem Rotstift zum Opfer. Diese Entwicklung gefährde die Aus- und Weiterbildung, den medizinischen Nachwuchs und damit auch die Versorgung und Forschung, kritisiert die Fachgesellschaft. "Eine stärkere Verankerung der Diabetologie im theoretischen und praktischen Teil des Medizinstudiums ist zwingend erforderlich", erklärt Gallwitz. "Bund und Länder müssen sich dafür stark machen, dass die Zahl der eigenständigen klinischen Lehrstühle und diabetologischen Fachabteilungen wieder wächst", betont der Mediensprecher. Ebenso wichtig sei laut DDG der Ausbau sowie die Förderung des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD), um mit innovativen Technologien und neuen Forschungsansätzen Strategien für die Prävention, Therapie und Diagnose von Diabetes zu entwickeln.

Gemeinsam mit dem Bundesverband Niedergelassener Diabetologen e.V. (BVND) spricht sich die DDG zudem für eine bundeseinheitliche diabetologische Zusatz-Weiterbildung auf hohem Niveau aus. Eine staatliche Anerkennung der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe durch die Politik sei zwingend, erklären die DDG und der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e.V. (VDBD). Das Berufsbild der Diabetesberater und -beraterinnen müsse sowohl gesellschaftlich als auch finanziell angemessen aufgewertet werden. Für die "Sprechende Medizin" bedürfe es insgesamt sowohl ambulant als auch stationär einer angemessenen Vergütung.

Schließlich müsse die digitale Transformation vorangetrieben werden. "Diabetes ist eine Datenmanagement-Erkrankung, die Digitalisierung bietet große Chancen für die Medizin", sagt Müller-Wieland. Voraussetzung dafür seien der flächendeckende Netzausbau und die zügige Umsetzung des E-Health-Gesetzes, mit dem die Bundesregierung die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen installieren will. Der Datenschutz der Patienten müsse dabei an erster Stelle stehen, ohne die Belange von Forschung und Wissenschaft zu blockieren, betont die DDG. Dafür sei unter anderem Transparenz und Qualitätskontrolle bei den Algorithmen von Behandlungspfaden und medizinischen Geräten notwendig.

Kritisch sieht die DDG auch die Tendenz, Gesundheitspolitik zunehmend durch patientenferne Organe und Institutionen zu regeln. Als Fachgesellschaft erwartet die DDG daher, bei der Festlegung des medizinischen Standards nach dem Sozialgesetzbuch Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V.) eingebunden zu werden.

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