rtCGM

Kassen ziehen Anträge noch immer in die Länge

Die kontinuierliche Glukosemessung ist seit einem dreiviertel Jahr Kassenleistung. Von einem reibungslosen Versorgungsalltag kann allerdings keine Rede sein.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Ein weiterer Schritt auf dem Weg zum künstlichen Pankreas: Die sensorbasierte Glukose-Langzeitmessung.

Ein weiterer Schritt auf dem Weg zum künstlichen Pankreas: Die sensorbasierte Glukose-Langzeitmessung.

© Dexcom

HAMBURG. "Es war ein Hürdenlauf und hat skandalös lange gedauert. Aber wir sind sehr glücklich, nach zehnjährigem Kampf, so muss man das wirklich sagen, endlich die rtCGM in der Kassenversorgung zu haben." Der das sagt, muss es wissen: Dr. Jens Kröger ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Diabetes-Hilfe und Leiter einer großen Diabetes-Schwerpunktpraxis im Hamburger Stadtteil Bergedorf. Die Glukose-Langzeitmessung in der Gewebsflüssigkeit läute eine neue Phase der gerätebasierten Diabetes-Therapie ein, so Kröger. Von einem konfliktfreien Versorgungsalltag sei man jedoch noch weit entfernt.

Zur Erinnerung: Anfang September vorigen Jahres trat die GBA-Richtlinie zur kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten (rtCGM) in Kraft. Seit April dieses Jahres ist die Anleitung zur Anwendung der Geräte im EBM verankert, jeweils mit eigener, aber inhaltsgleicher GOP für hausärztliche, internistische sowie pädiatrische Diabetologen (GOP 03355, 13360 und 04590).

Die Glukose-Langzeitmessung erfreue sich bei den Patienten großer Beliebtheit, berichtet Kröger. Viele Patienten bevorzugten allerdings ein Gerät zur sogenannten Flash-Glukose-Messung, da bei dieser abgespeckten Mess-Variante die tägliche Gerätekalibrierung mittels konventioneller ("blutiger") Blutzuckermessung entfällt. Dieses Gerät werde von vielen gesetzlichen Kassen inzwischen als Satzungsleistung erstattet. Und weil die Tagestherapiekosten der Flash-Messung mit rund fünf Euro nur halb so hoch sind, wie die der rtCGM, erläutert Kröger, würden die Kostenträger bei Geräteanträgen oftmals nachfragen, ob nicht auch das einfachere Gerät – anders als die Real-Time Geräte besitzt das Flash-Gerät keinen Alarm gegen drohende Unterzuckerung – genüge.

Was zumindest nicht für Patienten mit Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung zutrifft, für die die rtCGM prädestiniert sei. Kröger: "Für diese Patienten brauchen wir die Real-Time-CGM."

Überhaupt würden Geräteanträge zur Real-Time-Messung von den Kassen unnötig lange bearbeitet, bedauert der Diabetologe. Zwar hielten sich die Kostenträger "peinlich genau" an die Reaktions-Fristen, die ihnen mit dem Patientenrechtegesetz zur Leistungs-Bewilligung vorgeschrieben wurden. Doch würden viele Genehmigungsverfahren "durch alle möglichen Nachfragen, Ablehnungen und Einsprüche immer wieder verzögert". Das sei eher die Regel als die Ausnahme. Kröger: "Ich habe mehrere Fälle, die sich seit bald einem Jahr hinziehen." Meistens machten die Kassen Ablehnungsgründe geltend, die an den Kriterien der GBA-Richtlinie völlig vorbei gehen. Beispielsweise würden gerne fehlende Werte im Diabetes-Tagebuch gerügt und dem Patienten angeraten, erst einmal zu lernen, richtig Tagebuch zu führen.

Ihm sei dieses Verhalten unverständlich, sagt Kröger. Denn laut Richtlinie sei die rtCGM insbesondere dann angebracht, wenn im Rahmen einer intensivierten Insulinbehandlung individuell zwischen Arzt und Patient vereinbarte Therapieziele nicht erreicht werden. Auf konkrete Therapieziele abstellende Anträge ließen sich aber nicht einfach formal abbügeln. Das, so Kröger, wüssten die Kassen "sehr genau" und knickten deshalb auch regelmäßig ein, sobald Patienten mit Klagen drohten. "Unsere Anträge sind alle gut begründet. Wir haben bisher noch jeden Antrag durchbekommen".

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