Diabeteskontrolle

HbA1c-Wert wird in Deutschland zu selten bestimmt

Eigentlich sollten Ärzte mindestens zweimal im Jahr den HbA1c-Wert bei Typ-2-Diabetikern bestimmen. Bei jedem vierten Patienten messen sie ihn aber nur einmal oder gar nicht.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Die Diabeteskontrolle gelingt wohl deutlich besser, wenn der HbA1c-Wert alle drei Monate bestimmt wird.

Die Diabeteskontrolle gelingt wohl deutlich besser, wenn der HbA1c-Wert alle drei Monate bestimmt wird.

© jarun011/stock.adobe.com

FRANKFURT / MAIN. Im Prinzip sieht es schon ganz gut aus: Nach Untersuchungen aus der Region Augsburg stieg der Anteil der Typ-2-Diabetiker mit jährlicher HbA1c-Messung zwischen den Jahren 2000 und 2014 von 29 auf 72 Prozent, berichten Ärzte und Epidemiologen um Professor Karel Kostev vom Unternehmen IQVIA in Frankfurt / Main (Diabetic Medicine 2018; 35(2): 153–283). Nach ihren Analysen lag dieser Wert im Jahr 2016 deutschlandweit sogar bei 85 Prozent. Allerdings fordern DMP-Richtlinien mindestens zwei, besser noch vier Tests. Und dieses Ziel ist noch lange nicht erreicht.

Bei 15 Prozent keine HbA1c-Messung

Zu diesem Schluss kommen die Wissenschaftler nach einer Auswertung der firmeneigenen Datenbank "Disease Analyzer". Sie umfasst eine repräsentative Auswahl von Arztpraxen in Deutschland. Das Forscherteam um Kostev berücksichtigte insgesamt 557 Allgemeinarzt- und Diabetologenpraxen, die im Jahr 2016 Angaben zu Laboruntersuchungen und Medikamentenverordnungen machten. Die Praxen lieferten Daten zu insgesamt 43.500 Typ-2-Diabetikern, 23 Prozent der Angaben stammten von Diabetologen.

Im Mittel waren die Patienten 69 Jahre alt und zu 54 Prozent männlich; etwas mehr als die Hälfte war schon seit mehr als fünf Jahren an Diabetes erkrankt. Der mittlere HbA1c-Wert betrug 7,2 Prozent. Werte unter 6,5 Prozent wurden bei 31 Prozent gemessen, 37 Prozent lagen zwischen 6,5 und 7,5 Prozent, die übrigen 32 Prozent darüber.

Im Schnitt war der HbA1c-Wert im Laufe des Jahres 2,7-mal gemessen worden. 85 Prozent der Diabetiker bekamen immerhin eine Messung, die laut DMP-Richtlinie erforderliche Zahl von zwei oder mehr Messungen erhielten jedoch nur 74 Prozent. Im Klartext: Ein Viertel der Typ-2-Diabetiker bekam den HbA1c-Wert zu selten bestimmt, bei 15 Prozent wurde überhaupt nicht gemessen.

Die gute Nachricht: Bei 42 Prozent maßen die Ärzte den HbA1c-Wert mindestens viermal im Jahr.

Die Wissenschaftler um Kostev analysierten auch, wann die Ärzte besonderen Wert auf die Messung legten und wann nicht. Wurden Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen und Medikation berücksichtigt, so kamen über 80-Jährige signifikant seltener in den Genuss von zwei oder mehr Messungen als unter 60-Jährige (Odds Ratio, OR = 0,78).

Auch Schlaganfallpatienten erhielten seltener die erforderliche Mindestzahl an Messungen (OR = 0,81), dafür war dies bei Patienten mit Diabeteskomplikationen wie Nierenproblemen (OR = 1,41), Neuro- und Retinopathien (OR = 1,27 und 1,38) signifikant häufiger der Fall.

Lange krank – häufige Messungen

Die Dauer der Diabeteserkrankung erwies sich ebenfalls als bedeutsam. Frisch diagnostizierte Patienten erhielten etwa ein Viertel seltener zwei oder mehr Messungen als solche, die seit mehr als fünf Jahren erkrankt waren. Schließlich zeigten sich Diabetologen als messfreudiger: Die Wahrscheinlichkeit, dort zwei oder mehr HbA1c-Bestimmungen zu bekommen, lag um rund ein Viertel höher als in Allgemeinarztpraxen.

Es fällt auf, dass zwei Drittel der Diabetiker HbA1c-Werte unter 7,5 Prozent zeigten und 60 Prozent kein Insulin benötigten. Bei solchen Patienten halten viele Ärzte eine zweite Messung im Jahr offenbar für überflüssig, folgern die Autoren. Sie verweisen jedoch auf Untersuchungen, wonach die Diabeteskontrolle deutlich besser gelingt, wenn der HbA1c-Wert alle drei Monate bestimmt wird. Weshalb bei Schlaganfallpatienten weniger oft gemessen wird, bleibt unklar. Möglicherweise führen Mobilitätseinschränkungen dazu, dass die Betroffenen seltener zu Laboruntersuchungen erscheinen, spekulieren die Wissenschaftler. Positiv ist ihnen aufgefallen, dass Ärzte bei Patienten mit typischen Diabeteskomplikationen genauer hinschauen.

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