Studie

Ein gesunder Lebensstil bewahrt nicht jeden vor Diabetes

Ein Typ-2-Diabetes lässt sich oftmals abwenden, wenn Prädiabetiker auf einen Lebensstil mit gesunder Ernährung und Bewegung umschwenken. Doch das klappt nicht bei allen.

Von Peter Stiefelhagen Veröffentlicht:
Ausgewogene Ernährung, Bewegung - einfach gesund leben. Nicht nur für Prädiabetiker lohnt sich das.

Ausgewogene Ernährung, Bewegung - einfach gesund leben. Nicht nur für Prädiabetiker lohnt sich das.

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BERLIN. Ein gesunder Lebensstil kann die Manifestation eines Typ-2-Diabetes verhindern. "Jeder zweite Prädiabetiker spricht aber ungenügend darauf an", hat Professor Andreas Fritsche von der Uniklinik in Tübingen beim Diabetes-Kongress berichtet.

Als Prädiktoren und Risikofaktoren für die Non-Response gelten: eine verminderte Insulinsekretion und eine insulinresistente Fettleber. In der Prädiabetes Lebensstil Interventionsstudie (PLIS) des Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) geht man nun weiteren Fragen nach:

»Reagieren Hoch-Risiko-Personen mit Prädiabetes tatsächlich weniger gut auf eine Lebensstilintervention?

»Lässt sich die Response bei Hoch-Risiko-Prädiabetikern mit intensivierten Interventionen verbessern?

»Nützen Lebensstilinterventionen Niedrig-Risiko-Personen überhaupt?

Studie mit 1160 Prädiabetikern

In PLIS wurden 1160 Prädiabetiker (gestörte Nüchternglukose oder pathologischer oGTT) aufgenommen und Insulinsekretion sowie Insulinsensitivität bestimmt. Mittels MRT plus Spektroskopie wurde das viszerale und hepatische Fett quantitativ beurteilt.

Nach den Befunden wurden die Probanden aufgeteilt in eine Niedrig-Risiko-Gruppe (normale Insulinsekretion, keine Insulinresistenz, keine Fettleber) und eine Hoch-Risiko-Gruppe (gestörte Insulinsekretion oder Insulinresistenz, Fettleber).

Die Niedrig-Risiko-Gruppe erhielt dann randomisiert entweder keine oder eine konventionelle Lebensstilintervention. Bei den Hoch-Risiko-Patienten wurde entweder eine konventionelle oder eine intensive Lebensstilintervention durchgeführt.

Die konventionelle Behandlung umfasste eine Diät mit dem Ziel einer Gewichtsreduktion von mindestens fünf Prozent. Der Fettanteil lag unter 30 Prozent der Gesamtkalorien und der Anteil gesättigter Fettsäuren unter zehn Prozent. Dazu kamen mehr als 15 g Ballaststoffe pro 1000 kcal.

Veränderung der postprandialen Glukosewerte im Blick

Das Bewegungsprogramm umfasste drei Stunden pro Woche, und zwar mit 5 km Wegstrecke am Tag. Patienten mit intensiver Lebensstilintervention bekamen die gleiche Diät, sie waren aber mit mehr als sechs Stunden pro Woche und einer Wegstrecke von 10 km am Tag sportlich aktiver. Die konventionelle Gruppe hatte acht Arztkontakte pro Jahr, die intensiv-behandelte 16.

Primärer Endpunkt der Studie war die Veränderung der postprandialen Glukosewerte im oGTT; die sekundären Endpunkte: Leberfettgehalt, kardiovaskuläres Risiko, BMI, Insulinsensitivität und Insulinsekretion.

45 Prozent der Niedrig-Risiko-Teilnehmer mit konventioneller Lebensstilintervention erreichten die Ziele, aber nur 38 Prozent der Hoch-Risiko-Gruppe. "Die mit dem höchsten Risiko waren signifikant am schlechtesten", so Fritsche.

Und die Ziele wurden von den Hoch-Risiko-Teilnehmern unabhängig von einer konventionellen oder intensiven Lebensstilintervention erreicht.

Beim primären Endpunkt ergab sich folgendes Bild: Bei Hoch-Risiko-Probanden verbesserte die intensivierte Intervention den postprandialen Blutzuckerspiegel stärker als die konventionelle. Bei Niedrig-Risiko-Patienten brachte die konventionelle Intervention im Vergleich zur Kontrollgruppe keine Verbesserung.

In der Hoch-Risiko-Gruppe senkte die intensive Lebensstilintervention das Körpergewicht stärker als die konventionelle. Doch auch die Niedrig-Risiko-Gruppe profitierte beim Körpergewicht von der konventionellen im Vergleich zu gar keiner Intervention.

One size fits not all!

Die Response auf die Lebensstilintervention, definiert als Verbesserung der Glukoseregulation, war bei den Hoch-Risiko-Patienten reduziert, konnte aber durch eine intensivierte Lebensstilintervention verbessert werden.

Bei Niedrig-Risiko-Probanden verbesserte eine Intervention die Response-Rate nicht signifikant.

Auch bei den sekundären Endpunkten Insulinsensitivität, kardiovaskuläres Risiko und Fettgehalt der Leber fand sich das gleiche Ergebnis: Bei all diesen Parametern profitierten Niedrig-Risiko-Probanden nicht von einer Lebensstilintervention, doch bei Hoch-Risiko-Probanden war die intensive Intervention effektiver als die konventionelle.

In keiner Gruppe konnte allerdings die Insulinsekretion verbessert werden.

Fazit: "Bei Prädiabetikern mit einem Niedrig-Risiko-Phänotyp ist eine Lebensstilintervention nicht essenziell, doch bei Hoch-Risiko-Patienten bringt mehr auch mehr", so Fritsche.

Deshalb sei es sinnvoll, die Prävention individualisiert und nach einer Risikophänotyp-Stratifizierung durchzuführen. Auch für die Diabetes-Prävention gelte: One size fits not all.

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