Verbände-Disput

Zuckerstreit: Zu Halloween gibt es eher Saures

Die Übergangsfrist zur Erreichung der Ziele der Nationalen Reduktionsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten treibt Stilblüten.

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Im Kampf gegen zu viel Zucker geben sich sowohl die Industrie als auch die ärztlichen Verbände streitlustig.

Im Kampf gegen zu viel Zucker geben sich sowohl die Industrie als auch die ärztlichen Verbände streitlustig.

© Brent Hofacker / stock.adobe.com

BERLIN. Deutschland soll sich dem Kampf gegen zu viel Zucker, Salz und Fette in Nahrungsmitteln verschreiben – das ist Konsens. So erntete Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) anlässlich des AOK-Zuckerreduktionsgipfels vor Kurzem in Berlin auch überwiegend Lob für ihre mit verschiedenen Wirtschaftsverbänden geschlossene Grundsatzvereinbarung. Darin verpflichtet sich die Branche zur Einhaltung des im Koalitionsvertrag verankerten Ziels für die Nationale Reduktionsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten bis zum Jahr 2025.

Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), reicht diese Vereinbarung dagegen nicht. „Es kann nicht sein, dass die Industrie sieben Jahre Schonfrist bekommt, um ihre Produkte gesünder zu machen. Das bedeutet Zehntausende neuer Fälle von Übergewicht und dessen Folgeerkrankungen in Deutschland, die bei raschem Handeln womöglich zu verhindern wären“, ließ sie in einer Pressemitteilung verlauten. „Wir erwarten, dass Frau Klöckner jetzt zumindest hier durchgreift und bis Jahresende verbindliche Vereinbarungen vorlegt, die eine spürbare Entlastung bei Zucker, Fett und Salz bringen“, ergänzte Bitzer.

Das wiederum ist dem Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), Signatar der Grundsatzvereinbarung mit Klöckner, sauer aufgestoßen. Mit Verweis auf Halloween – hier geht es um Süßes oder Saures – betonte der BLL in einer Replik an die DANK, dass das Thema Prävention und Bekämpfung Nichtübertragbarer Krankheiten zu wichtig sei, „als dass man sich als Sprecherin eines Zusammenschlusses von 22 angeblich ‚medizinisch-wissenschaftlichen‘ Fachgesellschaften, Verbänden und Forschungseinrichtungen der Rhetorik einer fiktiven Schauergeschichte bedient“.

Der BLL legt nahe, Bitzer habe ihre Anschuldigungen ohne Kenntnis des Inhalts der Grundsatzvereinbarung getätigt. „Während die Wirtschaft handelt und mit der Rahmenvereinbarung die Leitplanken für den weiteren Prozess festgelegt wurden, zeigen Sie mit dieser vor Halbwahrheiten und fragwürdigen Behauptungen strotzenden Pressemitteilung, dass Sie an Dialog und Aufklärung nicht interessiert sind, sondern nur an Schuldzuweisungen“, so das BLL-Saure.

Die Taktik Bitzers, statt von einer Übergangs- von einer Schonfrist zu sprechen, steht exemplarisch für die Konfliktlinien beider Verbände. „Was genau meinen Sie mit Schonfrist? Wenn Sie die Grundsatzvereinbarung zwischen dem Bundesernährungsministerium und der Lebensmittelwirtschaft gelesen hätten, dann wüssten Sie, dass es produkt- oder branchenbezogenen Zielvereinbarungen geben wird, die bis 2025 erreicht werden sollen. Mit der Umsetzung wird bereits 2019 begonnen. Wir befinden uns also bereits mitten im Prozess und gehen dabei sukzessive vor, um die Verbraucherinnen und Verbraucher mitzunehmen. Im Herbst 2019 wird es einen ersten Fortschrittsbericht geben. Auch das ist Teil der Vereinbarung“, verdeutlicht der BLL.

Weiter greifen die Vertreter der Lebensmittelwirtschaft Bitzer für ihre in der betreffenden Pressemitteilung geäußerten Enttäuschung über Klöckner an, „die ihre eigenen Ziele, die zunächst durchaus ambitioniert wirkten, derart verwässert“ habe. „Sie saßen mit am Runden Tisch, an welchem über die Rahmenvereinbarung gesprochen wurde. Dort haben weder die Deutsche Diabetes Gesellschaft noch die Deutsche Adipositas Gesellschaft ihrer angeblichen Enttäuschung Ausdruck verliehen. Warum haben Sie am Runden Tisch in diesem Punkt geschwiegen? Was genau bieten Sie als Deutsche Allianz Nichtübertragbarer Krankheiten eigentlich als Ihren Beitrag im Kampf gegen Übergewicht an? Agieren Sie auch selbst oder können Sie nur Forderungen gegenüber Dritten aufstellen?“, geht der BLL gegen DANK in die Offensive. (maw)

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