Verräterische Worte

Facebook weiß, woran Ihre Patienten leiden

Die Sprache, die Nutzer von Facebook in ihrem Posts verwenden, erlaubt mitunter mehr Rückschlüsse auf ihren Gesundheitszustand als demografische Daten. Zum Teil lassen sich sogar Krankheiten vorhersagen.

Von Lamia Özgör Veröffentlicht:
Milliarden Menschen teilen ihr Befinden auf Facebook mit.

Milliarden Menschen teilen ihr Befinden auf Facebook mit.

© McPHOTO / blickwinkel / dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Frage: Lassen sich durch Facebook-Einträge Krankheiten vorhersagen?
  • Antwort: Die gehäufte Nutzung bestimmter Wortgruppen steht in Verbindungen mit bestimmten Krankheiten.
  • Bedeutung: Die Sprache auf Facebook kann Informationen zu einem Patienten geben, die Ärzten normalerweise vielleicht verwehrt bleiben.

PHILADELPHIA. Mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit teilen ihren Alltag, ihre Gedanken und ihr tägliches Befinden auf sozialen Netzwerken wie Facebook. Somit findet sich auf diesen Servern ein schier unerschöpflicher Fundus an Patientendaten, von denen der behandelnde Arzt unter Umständen im Gespräch mit dem Patienten nie erfährt.

Kann man anhand der Wortwahl der Facebook-Einträge sogar erkennen, welche Krankheiten ein Nutzer hat? Man kann, entdeckte ein Team um Dr. Raina Merchant von der Universität von Philadelphia.

Die Wissenschaftler untersuchten die Sprache und Wortwahl aus fast einer Million Facebookstatus-Updates von insgesamt 999 Nutzern (PLoS ONE 2019; online 17. Juni). Zudem hatten sie Zugriff auf deren Krankenakten mit demografischen Daten (Alter, Geschlecht und Rasse) und bestehenden Diagnosen. Anschließend teilten sie verwandte Wörter in insgesamt 200 Gruppen ein und verglichen, ob es eine Assoziation zwischen der Nutzung bestimmter Wortgruppen und bestimmten Krankheiten gibt.

Tatsächlich ließen sich solche Zusammenhänge feststellen: Alkoholabhängige schrieben etwa häufig Wörter wie „betrunken“ oder „Flasche“, aber auch „yeah“, Depressive hingegen eher „Magen“, „Kopf“ oder „Tränen“. Unter Diabetikern wiederum häuften sich Begriffe aus dem religiösen Kontext, etwa „Gott“ oder „beten“.

Hohe Vohersagekraft bei Diabetes, Psychosen und Schwangerschaft

Letztlich ließen sich alle 21 untersuchten Krankheitsbilder (darunter Alkoholabhängigkeit, Bluthochdruck und Depression) durch die bei Facebook verwendete Sprache vorhersagen, davon ließen sich zehn Diagnosen mittels Facebook sogar genauer ableiten als nur durch die demografischen Daten. Die höchste Vorhersagekraft fand sich bei Schwangerschaft, Diabetes, Angststörungen, Psychosen und Depression.

Die Autoren heben hervor, dass natürlich nicht jeder, der auf Facebook das Wort „Flasche“ gebraucht, automatisch Alkoholiker ist. Doch könnten die Assoziationen zwischen Wortwahl und Gesundheitszustand helfen, neue Aspekte der Krankheiten zu erforschen – etwa, ob und welche Rolle Religion als soziale Variable bei Diabetes spielt und wie man sie gegebenenfalls sogar in die Krankheitskontrolle einbeziehen kann. Somit könnten neben den bislang üblichen Biomarkern, etwa dem Genom oder Proteom, eines Tages Daten aus den sozialen Netzwerken als sogenanntes Mediom in die Gesundheitsforschung einfließen, diskutieren Merchant und ihre Kollegen.

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