Massage, Rollen und Saugen glätten Brandnarben

OFFENBACH (ner). Eine neue Methode zur Narbenbehandlung nach schweren Brandverletzungen ist jetzt am Verbrennungszentrum Offenbach vorgestellt worden. Dabei handele es sich um eine "hocheffektive Form der Massage" mit Hilfe eines Spezialgerätes, so Chefarzt Professor Henrik Menke.

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"Wir sprechen eigentlich alle nur vom Staubsauger", sagt Regina Heeß von der Bundesinitiative für Brandverletzte und selbst Brandopfer. Heeß war es, die gemeinsam mit ihrem behandelnden Arzt Menke den Anstoß gegeben hat, die Endermologie, so die offizielle Bezeichnung, bei Brandverletzten auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen.

Angewandt wird der "Staubsauger" zur Zeit vor allem im Wellness- und Kosmetik-Bereich, etwa zur Zellulitis-Therapie, oder zur Rehabilitation bei Leistungssportlern. Erfunden worden ist die Methode jedoch ursprünglich von dem brandverletzten französischen Ingenieur Louis Paul Guitay in den 1980er Jahren.

Saugen und Rollen mobilisieren das Gewebe

Das Gerät Cellu M6® arbeitet mit Kompression und Unterdruck. Je nach Bedarf kann es mit verschiedenen austauschbaren Köpfen betrieben werden. Der Behandler versucht, durch Saugen und Rollen auf der Haut das darunter liegende Gewebe zu mobilisieren und elastisch zu machen. Das funktioniert so gut, daß teilweise chirurgische Narbenkorrekturen überflüssig werden, haben erste Ergebnisse einer prospektiven Studie am Offenbacher Zentrum für Schwerbrandverletzte ergeben.

Menke und seine Kollegen haben bislang bei zehn Patienten mit Verbrennungen zweiten bis dritten Grades betroffene Hautareale ein- bis zweimal wöchentlich endermologisch behandelt. Dabei handelte es sich um hypertrophe, feste und gerötete Narben mit einer Größe von mindestens 100 cm2, deren Epithelschicht seit mindestens acht Wochen verschlossen sein mußte. Zur Kontrolle wurden jeweils andere vernarbte Hautareale lediglich nach bisherigem klinischen Standard behandelt.

Vor der Therapie sowie zehn bis 16 Wochen nach Behandlungsbeginn beurteilten die plastischen Chirurgen die Narben und befragten die Patienten. Menke und seine Mitarbeiter stellten bereits nach sechswöchiger Behandlung eine Verminderung der Narbenhöhe um fast die Hälfte fest sowie eine stetige und deutliche Zunahme der Dehnbarkeit.

Waren die Hände betroffen, manifestierte sich dies auch in einer deutlichen Zunahme der Fingerbeweglichkeit um bis zu 15 Grad. Die Narbenschmerzen verringerten sich ebenso wie der oft quälende, permanente Juckreiz.

Auch unter ästhetischen Gesichtspunkten unterschieden sich die endermologisch behandelten Hautareale deutlich von den unbehandelten, etwa was das Narbenprofil (Dicke, Kontur, Regelmäßigkeit) und was die Pigmentierung angeht. Insgesamt will Menke 30 Patienten in die Studie aufnehmen und die Untersuchung im kommenden Jahr abschließen.

Die Behandlungsfrequenz beträgt zunächst ein- bis dreimal pro Woche für drei bis sechs Monate, später reicht zur Aufrechterhaltung des Hautzustandes oft eine monatliche Behandlung aus, so die bisherigen Erfahrungen. Wie lange der Effekt insgesamt anhält, könnten erst Langzeitstudien ergeben.

Unerwünschte Wirkungen haben die Chirurgen nicht festgestellt. Heeß, die selbst als Endermologie-Therapeutin in Lampertheim arbeitet, warnt allerdings davor, die Methode ohne vorherige Schulung einzusetzen. Bei zu sanfter Anwendung sei die Wirkung nur gering, so Heeß zur "Ärzte Zeitung". Auch bedürfe es einer gewissen Erfahrung für die Beurteilung der Narbe während der Behandlung und in der Wahl der Behandlungszeit. Für die etwa 600 Endermologie-Behandler in Deutschland, die meist aus dem Wellness- und Beauty-Bereich kommen, sollen daher bald in Offenbach systematische Schulungen angeboten werden.

Verhandlungen mit Krankenkasse

Die Krankenkassen bezahlen die Behandlung derzeit nicht, es gebe aber Verhandlungen mit der AOK, so Menke. Heeß berechnet in ihrer Praxis pro Behandlungsstunde 80 Euro. Das in Deutschland von dem Unternehmen Medywell vertriebene Gerät des französischen Unternehmens LPG kostet etwa 27 600 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer.

Menke gab zu bedenken, daß vier Fünftel der Behandlungskosten für schwer Brandverletzte auf Folgekosten zurückzuführen seien, oft wegen ungünstiger Heilungsverläufe. Heeß wies darauf hin, daß gerade bei Kindern bis zum Abschluß des Körperwachstums immer wieder Korrektur-Operationen erforderlich seien. Eigene Erfahrungen mit einem Kind, das beim Bombenanschlag in Djerba brandverletzt worden war, zeigten, daß solche Operationen bei Anwendung der Endermologie vermieden werden können.

Weitere Informationen im Internet unter www.brandverletzte-leben.de; Interessenten können sich auch an das Unternehmen Medywell wenden, das auch Schulungen anbietet: Tel.: 02261 / 7953-0; E-Mail-Adresse: info@medywell.de; Internet-Adresse: www.medywell.de



STICHWORT

Brandverletzungen

In Deutschland gibt es pro Jahr etwa 18 000 Brandverletzte, einschließlich der Dunkelziffer werden doppelt so viele geschätzt. Davon müssen 2500 Verletzte in einem der 27 Verbrennungszentren stationär behandelt werden, davon 900 Kinder. Ein besonders großes Problem sind in der Folgezeit Narbenkontrakturen, vor allem im Bereich der Beugegelenke, an den Händen, dem Hals und im Gesicht. Zu den Bewegungseinschränkungen und den auffälligen Narbenbildern kommen bei vielen Betroffenen die Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder Berufsunfähigkeit hinzu. (ner)

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