Ulcus cruris

Ulcus-Versorgung längst nicht optimal

Das Wundmanagement beim Ulcus cruris venosum lässt auch heute noch häufig zu wünschen übrig. Ausbaden müssen dies die Patienten, denn nur aufeinander abgestimmte, konsequente Maßnahmen, basierend auf einer korrekten Diagnose, lassen die chronische Wunde heilen.

Von Dr. Christine Starostzik Veröffentlicht:
Ulcus cruris venosum: Eine primär venöse Genese liegt nur bei jedem zweiten Ulkus vor.

Ulcus cruris venosum: Eine primär venöse Genese liegt nur bei jedem zweiten Ulkus vor.

© Dr. Hans Schulz, Bergkamen

Um beim Ulcus cruris eine kausale Therapie zu gewährleisten, muss zunächst die genaue Ursache geklärt werden, mahnt Professor Knut Kröger, HELIOS Klinik Krefeld. Wie eine aktuelle Erhebung in zehn Wundzentren gezeigt habe, liege eine primär venöse Genese nur bei jedem zweiten Ulkus vor (Der Deutsche Dermatologe 2017; 65(4): 284–288). Der Leidensweg dieser Patienten ohne exakte Diagnose ist oft lang: Die chronischen Wunden der Studienteilnehmer hatten bereits rund 41 Monate bestanden. In einer weiteren Studie aus dem Jahr 2014 waren sogar durchschnittlich neun Jahre bis zur Sicherung der korrekten Diagnose vergangen. So verstreicht wertvolle Zeit, bis die richtigen Therapiemaßnahmen eingeleitet und angemessene Therapiepläne erstellt werden.

Kompression von Anfang an

Die erfolgreiche Behandlung bei einem Ulcus cruris venosum beginnt mit der adäquaten, patientenadaptierten Kompressionstherapie, die den Standard in der leitliniengerechten Versorgung darstellt. Mit einer an die jeweilige Therapiephase angepassten Kompression kann die Abheilung des Ulkus beschleunigt und die Rezidivrate verringert werden. Dabei sind mehrlagige Kompressionsverbände wirksamer als Einkomponentensysteme. Während in der Entstauungsphase, Kröger zufolge, Kompressionsverbände und -systeme zum Einsatz kommen, tritt in der Übergangsphase ein Verbandsstrumpf hinzu und in der anschließenden Erhaltungsphase kommt neben dem Verbandsstrumpf ein medizinischer Kompressionsstrumpf zum Einsatz, der alle drei Monate erneuert wird.

Die Wirksamkeit der Kompressionstherapie wurde erst kürzlich wieder in einer Studie belegt, in der kurzzügige Mehrlagensysteme in Kombination mit einer modernen Wundversorgung den Ergebnissen von Patienten gegenübergestellt wurden, die eine Wundversorgung ohne zusätzliche Kompression erhalten hatten. Bei der Behandlung mit Kompressionstherapie waren die Heilungsraten doppelt so hoch wie unter ausschließlicher Wundversorgung (72 Prozent bzw. 67 Prozent vs. 29 Prozent).

Trotz dieser Erfolge und den entsprechenden Empfehlungen zu einer durchgängigen Kompressionstherapie zeigen die Daten der BARMER GEK allerdings, dass die Kompressionsversorgung der Versicherten noch lange nicht auf dem aktuellen Stand der Therapie angekommen ist. Nur 16 Prozent der Patienten mit einem neu aufgetretenen Ulcus cruris venosum wurde während der floriden Wundphase eine Kompressionstherapie verordnet. Diese Daten zeigten, so Kröger, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit dieser Therapieform bei den versorgenden Ärzten nicht gegeben sei. Und dies, obwohl ein solches Unterlassen von der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (DGP) bereits im Jahr 2009 als Behandlungsfehler angesehen wurde.

Feuchtes Wundklima bewahren

Das Ulcus cruris venosum wird nach den allgemeinen Prinzipien der Wundbehandlung versorgt. Hierzu gehören neben sterilem Arbeiten die gründliche Reinigung im Rahmen eines Verbandswechsels mit wirkstofffreien sterilen Spüllösungen (z. B. 0,9%iges NaCl). Nur bei Verdacht auf eine erregerbedingte Entzündung der Wunde sollte der S3-Leitlinie zufolge die Anwendung von Polihexanid, Octenidin oder PVP-Jod in Form zugelassener Antiseptikalösungen zur Wundreinigung erwogen werden. Zu einer routinemäßigen antiseptischen Behandlung wird nicht geraten.

Ein chirurgisches Débridement ist sinnvoll, wenn lokale Entzündungszeichen, eine systemische Infektionserkrankung ausgehend vom Wundbereich oder großflächige Nekrosen bzw. Nekrosenanteile und Beläge vorliegen. Bei dieser Prozedur werden devitales Gewebe, Nekrosen und Fibrinbeläge bis zum gesunden Gewebe mit blutender weicher Haut steril abgetragen. Ziel ist es, jegliche Störung im physiologischen Heilungsverlauf zu eliminieren. Darüber hinaus werden einige weitere Methoden des Débridements angewandt, die aber zum Teil umstritten sind. Dazu gehören etwa die Nass-Trocken-Methode mit 15-minütigem Wechsel von feuchten und trockenen Kompressen sowie Laser-, Ultraschall- oder Wasserstrahlbehandlungen. Dabei muss jeweils beachtet werden, wie stark der Patient durch die Maßnahme belastet werden kann.

Durch hydroaktive Wundauflagen wird ein feuchtes Wundklima aufrechterhalten und das Débridement unterstützt. Mit diesen modernen Verbandsstoffen steigen die Abheilungschancen gegenüber dem Einsatz konventioneller Verbandmittel durchschnittlich um 52 Prozent. Dabei muss die Wundauflage der jeweiligen Phase des Heilungsprozesses angepasst werden. So eignen sich in der Reinigungsphase vor allem Saugkompressen oder Superabsorber, während in der Granulationsphase neben Saugkompressen beispielsweise auch Schaumverbände und Alginate zum Einsatz kommen. Zu den geeigneten Wundauflagen in der Epithelisierungsphase, dem letzten entscheidenden Schritt der Wundheilung, zählen schließlich neben Schaumverbänden auch Folien und Gaze.

Auch bei den hydroaktiven Wundauflagen verhalten sich die Versorger offenbar zögerlich. So wurden dem BARMER GEK Heil- und Hilfsmittelreport 2014 zufolge 19 Prozent der Patienten mit Ulcus cruris venosum trotz der nachgewiesenen Vorteile der modernen Verbände ausschließlich trockene Wundauflagen verordnet. Die floride Wundphase dauerte bei diesen Patienten im Mittel 148 Tage. Wie die Daten des BARMER GEK-Reports belegen, wurden 35 Prozent der Patienten länger als drei Monate wundrelevante Auflagen verordnet, was bedeutet, dass deren Ulkus in dieser Zeit noch nicht abgeheilt war. Dass es sogar Patienten gab, die solche Verordnungen kontinuierlich über drei Jahre hinweg erhielten, wertet Kröger als Zeichen für ein Versorgungsdefizit.

Wo liegt Verbesserungspotenzial?

Die Kompressionstherapie muss der jeweiligen Wundsituation angepasst werden. Demnach sollen Kompressionsverbände während der Entstauungs- und Übergangsphase häufiger angelegt werden als in der Erhaltungsphase. Bei ausgeprägtem Ödem und zügiger Entstauung kann der Verband rutschen, sodass er im Einzelfall auch zweimal am Tag neu angelegt werden muss. Abhilfe können hier Mehrkomponentensysteme schaffen. Wenn das Ödem in der Erhaltungsphase verschwunden ist, muss darauf geachtet werden, dass sich durch zu starke Kompression nicht erneut ein Ödem ausbildet. Da das Gewebe dem Verband weniger nachgeben kann, wenn kein Ödem mehr vorliegt, könnte beispielsweise an der Tibia oder am oberen Sprunggelenk der Druck zu hoch werden. Bei einem floriden Ulcus cruris sind Mehrkomponenten- und Ulkus-Strumpfsysteme, bestehend aus einem Unterziehstrumpf zur Fixierung des Wundverbandes und einem klassischen Kompressionsstrumpf zur Erzeugung des Druckes, für viele Patienten eine kostengünstige Übergangslösung.

Um die Kompressionstherapie zu vereinfachen und zu verbessern, sollen alle auf dem Markt verfügbaren Möglichkeiten in Betracht gezogen werden, meint Kröger. Besser lässt sich der therapeutisch erforderliche Kompressionsdruck beispielsweise mit Mehrkomponenten-Kompressionssystemen mit aufgebrachten Markern erzielen. Auch neue adaptive Verbandmittel vereinfachten und beschleunigten die Entstauung, so der Gefäßmediziner.

Empfehlungen zur Kompression

- Die erfolgreiche Behandlung beim Ulcus cruris venosum beginnt mit der adäquaten, patientenadaptierten Kompressionstherapie.

- Mit einer an die jeweilige Therapiephase angepassten Kompression kann die Abheilung des Ulkus beschleunigt und die Rezidivrate verringert werden.

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