Plädoyer für Therapie bei Vorhofflimmern

BERLIN (gvg). Sturzgefahr, begleitende antithrombotische Therapie, Non-Compliance: Oft stellt sich bei Patienten mit Vorhofflimmern die Frage nach dem Risiko einer oralen Antikoagulation. Auf dem 1. Deutschen Internistentag bezogen Experten klar Stellung - für die Antikoagulation.

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Einen Verzicht auf jegliche Art antithrombotischer Therapie bei Vorhofflimmern hält Professor Hans Martin Hoffmeister vom Städtischen Klinikum Solingen nur bei jungen Menschen unter 60 Jahren ohne Risikofaktoren für zerebralischämische Ereignisse vertretbar. "Diese Menschen brauchen keine orale Antikoagulation, und der Nutzen einer ASS-Therapie ist in dieser Gruppe nicht etabliert", so Hoffmeister.

Besteht nur ein geringes zerebrales Risiko, dann kann eine Therapie mit 325 mg ASS ausreichen. "Aber auch hier ist die orale Antikoagulation in den Leitlinien schon explizit als Alternative erwähnt", betonte der Spezialist. Bei allen anderen Patienten mit Vorhofflimmern ist die orale Antikoagulation, falls keine Kontraindikationen bestehen, unverzichtbar. Denn das Schlaganfallrisiko steigt mit zunehmendem Alter und zunehmender Zahl von Risikofaktoren exponenziell.

Hoffmeister betonte, dass die orale Antikoagulation nicht so starr sei, wie oft angenommen. So sei der Standard-Zielwert für die INR 2 bis 3. In den Leitlinien der kardiologischen Fachgesellschaften wird aber ausdrücklich erwähnt, dass auch ein Korridor von 1,6 bis 2,5 gewählt werden könne, wenn es Gründe gebe, die gegen eine INR von zwei bis drei sprechen. Der niedrigere Korridor sei bei Patienten mit erhöhtem zerebrovaskulärem Risiko immer noch besser als ASS allein.

Umgekehrt sei bei Patienten, bei denen es im INR-Bereich zwischen 2 und 3 zu einem ischämischen zerebralen Ereignis komme, ein höherer Korridor zwischen 3 und 3,5 effektiver als die oft gewählte Kombination mit ASS bei unverändertem INR-Korridor.

Patienten, die wegen eines medikamentenfreisetzenden Stents ASS und Clopidogrel einnehmen, dürfe die orale Antikoagulation nicht automatisch vorenthalten werden. "Auch hier richten wir uns in der Praxis nach dem zerebralen Risiko", so Hoffmeister. Ist das gering, kann die orale Antikoagulation für den Zeitraum der antithrombotischen Kombinationstherapie unterbrochen werden. Bei allen anderen Patienten plädiert er für eine Fortführung der Therapie nach der Intervention.

STICHWORT

Risikoabschätzung mit dem CHADS2-Score

Beim CHADS2-Score werden Punkte für Risikofaktoren eines thromboembolischen Schlaganfalls bei Patienten mit Vorhofflimmern vergeben: Jeweils ein Punkt gibt es für Herzinsuffizienz, Hypertonie, ein Alter ab 75 Jahren, Diabetes mellitus. Zwei Punkte werden für vorangegangenen Schlaganfall oder TIA vergeben. Maximal sind also sechs Punkte zu vergeben. Bei null Punkten beträgt das Schlaganfall-Risiko pro Jahr 1,9 Prozent, bei einem Punkt 2,8 Prozent, bei zwei Punkten 4 Prozent, bei drei Punkten 5,9 Prozent, bei vier Punkten 8,5 Prozent, bei fünf Punkten 12,5 Prozent und bei sechs Punkten 18,2 Prozent. (eb)

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