Multiorganversagen

Höhere Sterblichkeit durch Glutamin

Die Gabe der Aminosäure Glutamin ist mit einer höheren Sterblichkeit bei Patienten mit Multiorganversagen verbunden.

Veröffentlicht:

KIEL. Glutamin ist offenbar für Patienten mit Multiorganversagen nicht günstig: Die Applikation ist mit einer höheren Sterblichkeit assoziiert.

Dieses überraschende Ergebnis einer aktuellen internationalen Multicenter-Studie beantwortet eine wichtige Frage, ob eine frühzeitige hochdosierte Gabe von Glutamin und/oder Antioxidantien zusätzlich zur Standardernährung einen Effekt auf das Überleben und den Heilungsverlauf von kritisch kranken Patienten hat, meldte die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V.

In Kooperation mit der weltweit renommierten Studiengruppe der "Canadian Critical Care Trials Group" leitete Dr. Gunnar Elke, Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, die Studie in Europa und stellte die Ergebnisse auf der Tagung der DGEM in Irsee vor (New England Journal of Medicine 2013; 368: 1489-97).

1.223 Patienten in Kanada, den USA und Europa

Sechs Jahre untersuchten die Forscher insgesamt 1.223 Patienten in Kanada, den USA und Europa. Zusätzlich zur Standardernährungstherapie wurden entweder Glutamin, Antioxidanzien, Glutamin plus Antioxidanzien oder ein Placebo gegeben.

Dabei zeigte sich eine signifikant höhere Sterblichkeit in der Glutamingruppe nach einer Beobachtungszeit von sechs Monaten verglichen mit Patienten, denen kein Glutamin zugeführt wurde. Die Gabe von Antioxidantien hatte keinen - weder negativen noch positiven - Effekt auf die untersuchten Studienendpunkte.

"Bei der Entstehung von Organversagen während einer kritischen Erkrankung muss dem oxidativen Stress eine große Bedeutung beigemessen werden", sagt Dr. Gunnar Elke, "da bei Minderdurchblutung und Sauerstoffunterversorgung sogenannte Radikale freigesetzt werden, die Gewebe beziehungsweise Organe schädigen können.

Wir hatten die Hoffnung, mit der frühzeitigen und hochdosierten Gabe dieser Substrate bei schwerstkranken Patienten einen schützenden, antioxidativen Effekt zu erzielen. Diese Hoffnung hat sich leider nicht bestätigt."

Höchstkonzentrierte Aminosäure und bevorzugtes Energiesubstrat

Glutamin ist im Blut des gesunden menschlichen Organismus die höchstkonzentrierte Aminosäure und ein bevorzugtes Energiesubstrat für Zellen mit hoher proliferativer Aktivität, wie Darmepithelzellen und Zellen der Immunabwehr.

Bei Intensivpatienten unter zunehmender Krankheitsschwere kann dieses wichtige natürliche Abwehrsystem vom Körper selbst nicht ausreichend produziert werden. Folglich entsteht ein Ungleichgewicht zugunsten des "oxidativen Stress".

Vitamine und Spurenelemente, allen voran Selen, gelten neben Glutamin ebenfalls als Schlüsselsubstrate des antioxidativen Abwehrsystems bei kritischer Erkrankung.

So ließen Ergebnisse vorheriger, kleiner Studien vermuten, dass ein Glutamin- und Antioxidanzienmangel mit einer beeinträchtigten Funktion des Immunsystems und schlechterem klinischen Verlauf der Patienten verbunden war.

Theorie hat sich nicht bestätigt

Eine frühzeitige und kontinuierliche Zufuhr dieser Substrate könnte daher einem potentiellen Mangel entgegenwirken und der Entwicklung infektiöser Komplikationen, Organdysfunktionen und einer daraus resultierenden erhöhten Sterblichkeit entgegenwirken.

Umso überraschender waren die Ergebnisse, dass Glutamin einen nachteiligen Effekt hatte. Dieser könnte unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass die bislang zu diesem Thema durchgeführten Studien zu kleine Patientenzahlen untersucht hatten.

Außerdem wurde in diesem Kollektiv schwerstkranker Patienten eine höhere als den Leitlinien entsprechende Dosis (30g/Tag mehr) verabreicht.

Schließlich wurde in einer Subgruppe von 66 Patienten, bei denen Glutaminspiegel im Plasma bestimmt wurden, zum Teil sehr hohe Konzentrationen von Glutamin bei Aufnahme nachgewiesen. Derartig erhöhte Glutaminspiegel können ebenso wie zu niedrige mit einer schlechten Prognose verbunden sein. (eb)

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