Aortenklappen

Noch mehr Qualität für die TAVI

Die TAVI hat in Deutschland einen wahren Boom erlebt: Sie ist mittlerweile gleichauf mit chirurgischen Klappeneingriffen. Jetzt wollen die Kardiologen für noch mehr Qualität sorgen: Ärzte und Kliniken sollen sich bald zertifizieren.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
TAVI-Methode: Die neue Aortenklappe wird mit einem Herzkatheter in Position gebracht.

TAVI-Methode: Die neue Aortenklappe wird mit einem Herzkatheter in Position gebracht.

© Edwards Lifesciences

BERLIN. Die kathetergestützte transarterielle Aortenklappen-Implantation (TAVI) gilt als eines der innovativsten neuen Verfahren der Kardiologie seit Jahrzehnten. Bei Patienten mit symptomatischer Aortenklappenstenose wird die zusammengefaltete Herzklappe dabei über einen transarteriellen, in einigen Fällen auch transapikalen Zugang per Katheter eingesetzt.

Zwar gibt es Patienten, bei denen während eines TAVI-Eingriffs auf eine offene Operation gewechselt werden muss. Das ist aber selten: "In aller Regel gelingt die kathetergestützte Implantation, und eine Beatmung bleibt den Patienten zu 98 Prozent erspart", betont Professor Karl-Heinz Kuck vom St. Georg-Klinikum in Hamburg, President-Elect der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK).

Deutschland gehört zu den Ländern, die die TAVI am schnellsten aufgegriffen haben. DGK-Präsident Professor Christian Hamm vom Universitätsklinikum Gießen präsentierte am Mittwochnachmittag in Berlin die derzeit aktuellsten Zahlen aus den Statistiken des AQUA-Instituts.

Demnach werden in Deutschland mittlerweile ähnlich viele Aortenklappen per Katheter implantiert wie offen operiert. Im Jahr 2012 waren es 9341 TAVI-Patienten und 9929 offen operierte Patienten. Ein Jahr davor waren es noch 7231 und 10266.

Bisher wird die TAVI vor allem Patienten angeboten, die früher nicht operiert worden wären, weil sie zu alt oder zu krank für einen offenen Eingriff sind. Festmachen lässt sich das unter anderem daran, dass die Zahl der offenen Operationen konstant ist.

Auch die im vergangenen Jahr vorgestellten Einjahresdaten aus dem von DGK und Deutscher Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) gemeinsam geführten German Aortic Valve Registry (GARY) zeigen, dass rund 85 Prozent der TAVI-Patienten im Jahr 2011 über 75 Jahre alt waren.

Viele Herzexperten erwarten allerdings, dass die Indikation in Zukunft breiter gefasst wird. Bisher gibt es nur für inoperable Patienten mit schwerer Aortenstenose randomisierte Daten aus der im Jahr 2010 publizierten PARTNER-Studie. Hier lag die Einjahres-Mortalität in der TAVI-Gruppe bei 30,7 Prozent gegenüber 50,7 Prozent bei konservativer Therapie (NEJM 2010; 363: 1597).

Derzeit läuft die PARTNER-II-Studie, die Herzchirurgie und TAVI bei 2000 Patienten direkt vergleicht, und zwar (auch) bei Patienten mit mittlerem Op-Risiko. Die Studie, deren erste Ergebnisse 2015 vorliegen sollen, ist auf Nicht-Unterlegenheit angelegt und könnte - bei Nachweis einer Nicht-Unterlegenheit - den Trend zur TAVI verstärken.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) sieht bereits heute eine problematische Ausweitung der TAVI-Indikation. Er hat deswegen im Juni 2013 einen Auftrag zur externen Qualitätssicherung an das AQUA-Institut vergeben.

Die DGK macht allerdings darauf aufmerksam, dass ein weniger invasives Verfahren häufig auch Patientenwunsch sei: "Viele Patienten wollen lieber eine TAVI, und diesen Patientenwunsch müssen wir als Ärzte in all unsere Entscheidungen einbeziehen", sagte Kuck.

Bald eine Zertifizierung von TAVI-Zentren?

Dynamische Fallzahlentwicklung, neue Studienergebnisse ante portas, politischer Gegenwind: Die Bemühungen der DGK um eine jetzt offiziell angekündigte Qualitätsoffensive "von innen" sind vor diesem Hintergrund zu sehen. Tatsächlich bemühen sich DGK und DGTHG bei der TAVI seit Jahren um Qualität. Das gemeinsame GARY-Register sei in seiner fachübergreifenden Ausrichtung beispielsweise weltweit einzigartig, betonte Hamm in Berlin.

Die DGK möchte jetzt in einem weiteren Schritt ein Zertifizierungsprogramm für TAVI-Zentren in die Wege leiten, das deutschlandweit flächendeckend höchste Standards bei der TAVI sicherstellen soll. "Für die DGK stehen dabei Fragen der Prozess- und Ergebnisqualität im Mittelpunkt, und nicht so sehr Formalkriterien eines Standorts", betonte Kuck.

Die Details sollen in den nächsten Monaten ausgearbeitet werden. Erste Eckpunkte wurden jetzt aber schon einmal öffentlich gemacht. Die DGK empfiehlt:

eine routinemäßige Durchführung des TAVI-Eingriffs durch ein eingespieltes Team aus Kardiologen und Herzchirurgen,

einen Hybrid-Operationssaal, in dem sowohl Kathetereingriffe als auch herzchirurgische Operationen durchgeführt werden können, oder Gleichwertiges am Standort,

eine Intensivstation am Standort, die sich mit der Betreuung solcher Patienten auskennt und

die Einbindung nicht nur kardiologischer und herzchirurgischer, sondern auch angiologischer oder gefäßchirurgischer Expertise.

Hinsichtlich der personellen Ausstattung sollte gewährleistet sein, dass mindestens zwei Kardiologen und zwei Herzchirurgen mit TAVI-Kompetenz verfügbar sind, um (zum Beispiel krankheitsbedingte) Ausfälle kompensieren zu können.

Außerdem seien Mindestmengen pro Arzt erforderlich, so Kuck. Genaue Zahlen nannte er nicht, allerdings: "Zehn pro Jahr sind sicher zu wenig."

Verhindern will die DGK mit ihren Vorgaben unter anderem Pseudo-Team-Konstruktionen, bei denen Herzchirurgen nur formal, aber nicht real, anwesend sind. Ebenfalls kritisch gesehen werden Szenarien, bei denen der TAVI-Kardiologe durch "Herzchirurgie-Freelancer" unterstützt wird.

Derzeit würden in Deutschland knapp unter fünf Prozent aller TAVI-Eingriffe in Einrichtungen durchgeführt, in denen keine herzchirurgische Abteilung am Standort ist, betonte DGK-Sprecher Professor Eckart Fleck vom Deutschen Herzzentrum Berlin. Dies sei dann zu rechtfertigen, wenn sichergestellt sei, dass die herzchirurgische Kompetenz anderweitig vorgehalten werde.

Einigen sich Kardiologen und Herzchirurgen?

Die DGK hofft, dass sie den geplanten Zertifizierungskatalog im Sommer gemeinsam mit den Herzchirurgen wird vorlegen können. Zwischen den Gesellschaften hat es allerdings in jüngster Zeit einige Meinungsverschiedenheiten gegeben, die sich unter anderem an der Übertragung der Kurzform der ESC-Leitlinie für Herzklappenerkrankungen ins Deutsche entzündet hatten.

Die ESC-Leitlinie besagt, dass eine TAVI nur in Krankenhäusern durchgeführt werden sollte, in denen eine Herzchirurgie am Standort ist (im englischen Original: "cardiac surgery on-site"). Ob das so zu verstehen ist, dass eine formale herzchirurgische Abteilung existieren muss, ist (zumindest in Deutschland) strittig.

Hamm betont allerdings, dass es hinsichtlich der qualitativen Anforderungen an die Institutionen, die eine TAVI durchführen, ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen DGK und DGTHG gebe. Er ist deswegen auch optimistisch, dass ein gemeinsames Vorgehen gelingt.

Auch DGTHG-Vorsitzender Professor Jochen Cremer vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, sieht mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede: "Uns geht es vor allem darum, dass erstens die Indikation stimmt und im Heart Team gearbeitet wird und zweitens eine adäquate Notfallversorgung sichergestellt ist", sagte er.

Cremer: "Bei der TAVI gibt es eine nennenswerte Rate an Akutkomplikationen. Vor diesem Hintergrund sind wir der Auffassung, dass das Modell eines fahrenden Herzteams für die Patientensicherheit nicht ausreichend ist."

Nach Auffassung der DGTHG sollte eine herzchirurgische Abteilung vor Ort sein, und Fallzahlen von circa 50 Eingriffen sollten nicht unterschritten werden. Die jetzt ins Spiel gebrachte Zertifizierung von TAVI-Zentren und Heart Teams hält Cremer für einen guten Weg. "Wir sehen noch Korrekturbedarf, aber wir werden uns dem nicht verschließen."

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