Angeborener Herzfehler

Es lohnt sich, Patienten zum Sport zu motivieren

Dank moderner Medizin werden immer mehr Kinder mit angeborenem Herzfehler erwachsen. Viele sind überbehütet aufgewachsen und haben nie Sport getrieben. Mehr Bewegung würde ihnen guttun, betonen Präventionsärzte. Die Sporttauglichkeit ist aber abzuklären.

Von Ellen Jahn Veröffentlicht:
Es lohnt sich, Patienten zum Sport zu motivieren

© Robert Kneschke / Fotolia

Nach Schätzungen leben 200.000 bis 280.000 Erwachsene mit angeborenem Herzfehler (EMAH) in Deutschland. Viele Betroffene sind heute sehr unsportlich, weil sie in der Kindheit meist vom Sportunterricht befreit wurden und auch sonst überbehütet und vor körperlichen Anstrengungen geschützt aufwuchsen. Fast alle könnten aber durch Bewegung ihr Wohlbefinden und ihre Belastbarkeit steigern. Das ist beim gemeinsamen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) und der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR) in Frankfurt am Main betont worden.

"Erwachsene mit angeborenem Herzfehler sollen mit Spaß körperlich aktiv sein und Sport treiben", erklärte Professor Alfred Hager vom Deutschen Herzzentrum in München bei der Tagung. Adäquates körperliches Training wirkt bei Menschen mit angeborenem Herzfehler ebenso positiv wie bei Gesunden, so der Kardiologe. Bei individuell angemessener Belastung lassen sich Ausdauer, Geschicklichkeit, Schnelligkeit, Belastung und Beweglichkeit verbessern. Nicht zuletzt werden auch Teamgeist sowie soziale und berufliche Integration verbessert.

Sporttauglichkeit und Belastbarkeit einschätzen

Die Bewertung der Sporttauglichkeit kann allerdings nicht allein durch eine Leistungsdiagnostik erfolgen. Basis der Empfehlung ist die genaue Kenntnis der Grundkrankheit sowie der chirurgischen, interventionellen und medikamentösen Therapien. Zudem muss abgeklärt werden, ob von der sportlichen Aktivität gesundheitliche Gefahren ausgehen könnten und welche Intensität angemessen ist.

Dafür sind nach Anamnese und körperlicher Untersuchung einige Grundparameter zu bestimmen: Dazu zählen die Beurteilung der Ventrikelfunktion und des pulmonalarteriellen Drucks mittels transthorakaler Echokardiografie (TTE) sowie die Abklärung von Herzrhythmusstörungen und Belastungsuntersuchungen mittels Ergometrie und Ergospirometrie. Dies sollte in EMAH-Zentren erfolgen oder von EMAH-zertifizierten Ärzten untersucht werden. Auch wenn nur wenige Erwachsene mit angeborenem Herzfehler noch adäquat betreut werden, sollten Hausärzte sie ermuntern, sich wenigstens einmal in einem spezialisierten Zentrum vorzustellen, um Status und Krankheitsverlauf besser einordnen zu können (Der Hausarzt 2014; 17: 38).

Beeinträchtigter Lebensweg

Viele Erwachsene glauben, dass sie nach der in der Kindheit vorgenommenen Intervention entweder geheilt seien oder eine Heilung nicht möglich sei. "Gegenüber Gesunden haben EMAH-Patienten vielfach eine schlechtere Schulbildung und einen niedrigeren Beschäftigungsgrad", betonte Dr. Christa Bongarth von der Klinik Höhenried am Starnberger See, die DGPR-Tagungspräsidentin. Sport könnte ihnen zu mehr Selbstsicherheit und erhöhter Belastbarkeit in Berufsausbildung und Arbeitswelt verhelfen.

Sportlich ist fast alles erlaubt

Bei der Wahl der Sportart spielt die individuelle Vorliebe die größte Rolle. Doch gilt es, die ausgewählten Sportarten nach dynamischer und statischer Belastbarkeit differenziert zu bewerten. So zeichnen sich Golf und Kegeln beispielsweise durch niedrige dynamische Komponenten aus, während Jogging, Radfahren und Fußball hohe dynamische Belastungen darstellen. Fraglich sind Wettkampfsportarten sowie Turnen, Klettern, Segeln und Kampfsportarten mit hohen statischen Belastungen. Generell ist Freizeitsport mit überwiegend dynamischen Komponenten ohne hohe Verletzungsgefahr zu bevorzugen.

Dabei schränken nur wenige Restbefunde die Aktivitätswünsche der Betroffenen ein. Dazu gehören schwere systemventrikuäre Dysfunktion, unklare Synkopen, Zyanose oder Patienten mit FontanZirkulation bei univentrikulären Herzen. Ein absolutes Sportverbot ist auch hier allerdings wenig hilfreich. Und: Tägliche Aktivitäten wie Treppensteigen sind schon eine dynamische Belastung.

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