Kardiovaskuläre Prävention

Acarbose schützt das Herz nicht vor Zuckerfolgen

Kardiovaskuläre Prävention bei Prädiabetes: Die spezifische Behandlung postprandialer Blutzuckerspitzen senkt bei KHK-Patienten offenbar nicht das Risiko für kardiale Spätfolgen.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:

In der ACE-Studie ließ sich bei KHK-Patienten durch Gabe von Acarbose einzig die Entwicklung eines Diabetes aufhalten. Das kardiovaskuläre Risiko blieb von dieser Art der Intervention aber unbeeinflusst. So ließen sich Entgleisungen postprandialer Blutzuckerspiegel durch diese Medikation zwar in den Griff bekommen, kardiovaskuläre Spätfolgen verhinderte das aber offenbar nicht, wie die randomisierte doppelblinde ACE-Studie gezeigte. Die Ergebnisse wurden auf dem EASD-Kongress in Lissabon vorgestellt und zeitgleich im "Lancet Diabetology & Endocrinology" publiziert.

Hoffnung: Antiglykämische Therapie verhindert Spätfolgen

Schon länger wird in Expertenkreisen diskutiert, ob es sinnvoll ist, Patienten mit gestörter Glukosetoleranz bereits mit antiglykämischen Substanzen zu behandeln, die spezifische postprandiale Blutzuckeranstiege verhindern, den Nüchternblutzucker aber kaum beeinflussen. Diese Art der Intervention soll der Entwicklung hin zu einem manifesten Diabetes und den damit einhergehenden Spätschäden entgegenwirken.

Das Konzept ging zumindest in der 2002 veröffentlichten STOP-NIDDM-Studie auf. Nicht nur der Übergang eines Prädiabetes zu einem Diabetes ließ sich durch die Gabe von Acarbose aufhalten bzw. verzögern. Überraschenderweise ging der Alpha-Glucosidase-Hemmer auch mit einem niedrigeren kardiovaskulären Risiko einher. Allerdings waren nur 47 Patienten von einem entsprechenden Ereignis betroffen, was die Aussagekraft des Ergebnisses deutlich abschwächt.

Weniger Diabetesfälle…

In der ACE-Studie sollte die potenziell präventive Wirkung von Acarbose nun an 6.522 chinesischen Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) und gestörter Glukosetoleranz geprüft werden. Während des mittleren Follow-up von fünf Jahren waren bei den Patienten, die Acarbose einnahmen, deutlich weniger Diabetesfälle aufgetreten. Das Risiko wurde im Vergleich zur Placebo-Gruppe um 18 % gesenkt.

…aber kein Einfluss auf kardiovaskuläres Risiko

Allerdings hatte die Therapie keinen Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko der Teilnehmer. So erlitten 14 % der Patienten, die dreimal täglich 50 mg Acarbose einnahmen, einen nicht tödlichen Herzinfarkt oder Schlaganfall, starben an einer kardiovaskulären Erkrankung oder wurden wegen instabiler Angina pectoris oder Herzinsuffizienz in ein Krankenhaus eingewiesen (kombinierter primärer Endpunkt).

In der Placebo-Gruppe waren 15 % von einem solchen Ereignis betroffen. Auch die Gesamtmortalität blieb unverändert.

Konzept nicht ganz aufgeben

Trotz dieser ernüchternden Ergebnisse wollen die Autoren um Rury Holman von der University of Oxford Diabetes Trials Unit das Konzept der Abmilderung postprandialer Blutzuckerspitzen nicht vollkommen aufgeben. "Obwohl in der ACE-Studie kein direkter Effekt der Acarbose auf das kardiovaskuläre Risiko gezeigt wurde, sollte man eine potenziell indirekte Wirkung nicht abtun", schreiben sie in der Publikation.

Indem Acarbose die Entwicklung eines Diabetes bei KHK-Patienten verzögere, könne sich die Substanz womöglich langfristig auch auf das kardiovaskuläre Risiko positiv auswirken. Auch nach Ansicht von Prof. Michael Nauck und Prof. Juris Meier vom St. Josef-Hospital in Bochum ist hier das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Antwort auf die Frage, ob postprandiale Blutzuckerspitzen spezifisch das kardiovaskuläre Risiko erhöhen, müsse man nach der ACE-Studie wohl mit Nein beantworten. "Aber das gilt womöglich nicht für alle Patienten, etwa für solche, die sich bereits in einem fortgeschrittenen Diabetes-Stadium befinden", so die Diabetologen in einem Kommentar.

Für diese Patienten könnte eine Therapie mit Acarbose oder anderen Medikamenten, die den postprandialen Blutzucker beeinflussen, womöglich einen gewissen kardiovaskulären Schutz bieten. Dies müsse man in Studien prüfen. Allerdings weisen Nauck und Meier auch darauf hin, dass andere Maßnahmen wie intensive Lebensstiländerungen, Metformin oder Glitazone die Entwicklung eines Diabetes womöglich noch wirksamer aufhalten können.

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