ESC-Leitlinie

Rückenwind für Katheter-Aortenklappen

In den neuen europäischen Leitlinien wird die Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) bei schwerer Aortenklappen-Stenose mittlerweile nicht mehr nur als Option für Patienten mit sehr hohem Operationsrisiko, sondern auch schon für Patienten mit geringerem Risiko empfohlen.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
TAVI-Methode zum Aortenklappenersatz: Die neue Aortenklappe wird mit einem Herzkatheter in Position gebracht.

TAVI-Methode zum Aortenklappenersatz: Die neue Aortenklappe wird mit einem Herzkatheter in Position gebracht.

© Edwards Lifescience

BERLIN. Schon seit längerer Zeit besteht die Möglichkeit, Aortenklappen-Prothesen bei schwerer Aortenstenose mithilfe eines Herzkatheters transvasal und damit schonender und weniger eingreifend als bei einer Klappenoperation einzusetzen. Damit stand zunächst für Patienten, bei denen ein herzchirurgischer Eingriff als zu riskant gilt, erstmals eine effektive Therapieoption zur Verfügung.

Inzwischen habe die TAVI-Methode in Europa und den USA eine "fulminante" Entwicklung durchlaufen, betonte Professor Albrecht Elsässer aus Oldenburg, Vorsitzender der AG Interventionelle Kardiologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), bei den DGK-Herztagen in Berlin. Allein in Deutschland sei zwischen 2008 und 2015 die Zahl der jährlich vorgenommen TAVI-Prozeduren von zunächst 637 auf mehr als 13.000 gestiegen – Tendenz steigend.

Triebkraft dafür sieht Elsässer nicht zuletzt in der Tatsache, dass in dieser Zeit die wissenschaftliche Evidenz durch Daten aus großen Studien zum Vergleich von TAVI und chirurgischem Aortenklappenersatz wesentlich verbessert worden ist. Allein zwischen 2012 und 2017 seien sechs randomisierte Studien mit insgesamt knapp 6000 beteiligten Patienten veröffentlicht worden.

Studien wie PARTNER-2a und SURTAVI belegen mittlerweile, dass TAVI-Prozeduren auch für Patienten mit einem "intermediären" Operationsrisiko eine mindestens ebenso gut geeignete Behandlungsmethode wie die klassische Herzklappen-Operation mit Brustkorberöffnung und Herz-Lungen-Maschine sind. Bei Patienten mit transfemoral erfolgter TAVI konnten hier sogar Vorteile bei der Überlebensrate nachgewiesen.

Diese Studienergebnisse haben auch die Ende August 2017 vorgestellten neuen Leitlinien der Europäischen Kardiologiegesellschaft ESC zum Thema Herzklappen-Erkrankungen geprägt. Danach sei die TAVI bei Hochrisikopatienten und bei Betroffenen mit mittlerem Operationsrisiko die Methode der Wahl – insbesondere dann, wenn andere und in den gebräuchlichen Risikoscores nicht berücksichtigte Risikofaktoren wie Porzellanaorta, Gebrechlichkeit (‚frailty‘) oder wiederholte Bestrahlungen im Brustbereich vorliegen, konstatierte Elsässer. Die jeweilige Entscheidung über die im individuellen Fall am besten geeignete Methode sei vor Ort im multidisziplinären "Herzteam" zu treffen.

Nun steht die wissenschaftliche Klärung an, ob TAVI als alternative Option auch für Patienten mit niedrigem Operationsrisiko in Frage kommt. Erste Studien wie NOTION haben diesbezüglich bereits vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Um definitive Empfehlungen geben zu können, bedürfe es aber noch zusätzlicher Daten, betonte Elsässer.

Klärungsbedarf besteht nach seiner Ansicht auch in puncto Haltbarkeit von Katheter-Aortenklappen. Die bisherigen, in Zeiträumen von bis zu fünf Jahren erhobenen Studiendaten lieferten keine Hinweise darauf, dass die Lebensdauer von TAVI-Klappen kürzer sei als die von herzchirurgisch eingesetzten Prothesen", berichtete Elsässer. Langzeitdaten fehlen derzeit aber noch.

Die neuen ESC-Leitlinien empfehlen, dass die Behandlungen nur von qualifizierten Teams durchgeführt werden sollen. Diese "Heart Valve-Teams" müssen nicht nur Vitien der Aorten-, sondern auch Mitral- und auch Trikuspidal-Klappen behandeln können.

Gefordert werden auch standardisierte Abläufe in Diagnostik und Therapie. Elsässer: "Die Algorithmen zur Entscheidungsfindung müssen klar definiert sein. Im Bereich der Bildgebung wird der routinemäßige Einsatz modernster Verfahren – von der 3D-Echokardiographie über Herz-CT und -MRT bis gegebenenfalls zu nuklearmedizinischen Verfahren – gefordert. Zudem sollten alle Daten bezüglich der Eingriffe gesammelt und hinsichtlich Mortalität und Komplikation regelmäßig bewertet werden." Alle Ergebnisse sollen außerdem durch Eingabe in nationale und europäische Datenbanken transparent im Sinne der Qualitätskontrolle sein.

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