Perkutanes Vorgehen

Elektroden-Entfernung: Auch hier punktet Erfahrung

Die perkutane Entfernung von Schrittmacher- oder ICD-Elektroden lässt sich meist problemlos vornehmen. Trotzdem kann es zu schweren Komplikationen kommen, wie eine aktuelle Analyse ergeben hat – besonders in Zentren mit wenig Erfahrung.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:
Extrahiert wird ein Herzschrittmacher etwa bei Infektionen.

Extrahiert wird ein Herzschrittmacher etwa bei Infektionen.

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PISA. Die perkutane Entfernung von Schrittmachern- und ICD-Elektroden gilt unter Kardiologen als schwieriger und anspruchsvoller Eingriff. Um zu klären, wie sicher sich solche Eingriffe unter Alltagsbedingungen durchführen lassen, hat die European Heart Rhythm Society (EHRA) gemeinsam mit der European Cardiology Society (ESC) ein Register in die Wege geleitet (ELECTRa). Darin berichten 73 Zentren aus 19 europäischen Ländern über ihre Erfahrungen mit transvenösen Sondenextraktionen. Allerdings waren nur sieben Zentren aus Deutschland beteiligt, trotz der im europaweiten Vergleich hierzulande sehr hohen Fallzahlen (Europ Heart J. 2017; 38: 2995).

Die neue Auswertung der Registerdaten ist beruhigend: Transvenöse Elektrodenextraktionen sind in aller Regel erfolgreich und komplikationsarm durchführbar. Zu schweren prozedurbedingten Komplikationen kam es in 1,7 Prozent der insgesamt 3510 transvenösen Sondenextraktionen, die zwischen November 2012 und März 2014 in einen der Zentren vorgenommen worden sind. Die Mortalität lag bei 0,5 Prozent.

Mehr Sondenextraktionen

In den letzten Jahren hat die Zahl der Elektrodenextraktionen deutlich zugenommen. Dieser Anstieg ist damit zu erklären, dass immer mehr Schrittmacher und ICDs implantiert werden und damit auch Device assoziierte Komplikationen häufiger werden, die eine Entfernung der Sonde notwendig machen.

Dringend erforderlich ist eine Sondenextraktion bei jeglichen Infektionen im Bereich der Elektroden und Aggregattaschen, bei Hautperforationen durch das Gerät oder einer Endokarditis mit Befall der implantierten Elektrode (Klasse-I-Indikation). Aber auch technische Defekte, System-Upgrades oder eine funktionsunfähige Elektrode können eine Sondenextraktion erforderlich machen.

Wird sich für eine Entfernung der Sonde entschieden, erfolgt der Eingriff heutzutage in aller Regel über einen transvenösen Zugang. Die perkutane Sondenextraktion ist der schonendere und komplikationsärmere Eingriff als die operative Entfernung unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine (HLM).

Die aktuellen Registerdaten bestätigen die guten Erfolgsaussichten des Verfahrens. In fast allen Fällen (96 Prozent) verlief die Entfernung der Sonde unter klinischen und echokardiografischen Aspekten erfolgreich, die Elektrode ließ sich also komplett aus dem Körper entfernen. In vielen Fällen gelang diese aber nur mithilfe spezieller Werkzeuge. Nur in 27 Prozent der Fälle ließ sich die Elektrode durch manuellen Zug entfernen.

Häufig zum Einsatz kamen sogenannte "locking stylets", mit denen sich die Zugkraft der Sonde erhöhen und damit Verwachsungen leichter lösen lassen. Auch auf spezielle Extraktionswerkzeuge wurde oft zurückgegriffen. Damit können Sondenverwachsungen oder starke Verkalkungen unter anderem mechanisch oder via energiereichem Laserlicht ("powered sheaths") gelöst werden.

Bei 37 Patienten kam es während der Sondenextraktion zu schweren Komplikationen (1,1 Prozent), in 21 Fällen (0,6 Prozent) traten diese postprozedural auf. Bei 49 Patienten waren deshalb eine Perikardpunktion, Thorakoskopie und gegebenenfalls auch eine Operation erforderlich; bei 28 Patienten war der Grund hierfür eine Myokardruptur, 15 Patienten hatten thorakale Gefäßverletzungen, bei zwei Patienten war es zu Myokard- und Gefäßverletzungen gekommen und bei dreien waren periphere Gefäßverletzungen aufgetreten. 17 Patienten verstarben während oder kurz nach dem Eingriff.

Als weitere Komplikationen wurden Herzinsuffizienz, Sepsis, Multiorganversagen, Arrhythmien, akute Verletzung der Vena cava superior, Darmverschlüsse und disseminierte intravasale Gerinnung beobachtet.

Expertise spielt entscheidende Rolle

Das Risiko für das Auftreten solcher Komplikationen scheine von elektrodenspezifischen und prozedurbedingten Faktoren abzuhängen, berichten die Studienautoren um Dr. Maria Grazia Bongiorni von der Uniklinik Pisa. Eine entscheidende Rolle spielte die Expertise des Zentrums. So waren die intrahospitalen Komplikationsraten und die Sterblichkeit in erfahrenen Zentren (= 30 Sondenextraktionen pro Jahr) deutlich geringer als in Zentren mit weniger Durchsatz (2,4 versus 4,1 Prozent, Odds Ratio, OR: 1,66).

Die Autoren weisen aber darauf hin, dass die Ergebnisse keine Rückschlüsse darüber zulassen, wie viele Elektrodenextraktionen in einem Zentrum pro Jahr mindestens vorgenommen werden sollten, um die Komplikationsraten zu senken. Neu war der Befund, dass der transfemorale Zugangsweg mit mehr Komplikationen einhergeht als andere Zugangswege, etwa über den originären Sondeneintritt (OR: 3,60). Mehr Probleme bereitete zudem die Extraktion mehrerer Elektroden (OR: 2,47) oder von Sonden mit einer über zehnjährigen Laufzeit (OR: 4,0).

Häufigste Ursache für eine Elektrodenentfernung waren immer noch Infektionen (52,8 Prozent der Fälle, davon 19,3 Prozent systemisch). Doch im Vergleich zu früheren Analysen hat der Anteil anderer Indikationsstellungen zugenommen. So waren funktionslose Elektroden die zweithäufigste Ursache für eine Sondenentfernung. Mittlerweile scheine der Konsens vorzuherrschen, solche Sonden zu entfernen statt stillzulegen.

Weitere Informationen zur Kardiologie finden Sie unter www.springermedizin.de

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