Einsparpotenzial

Herzoperationen laufen auch mit weniger Bluttransfusionen glatt

Wie stark darf bei einer Herz-Op der Hämoglobinwert abfallen, ohne dass Blut transfundiert werden muss? Offenbar sind niedrigere Werte als gedacht möglich, ohne Patienten zu schaden.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Bluttransfusion während einer Operation: Bei Eingriffen am Herzen geht es offenbar auch auf restriktive Weise.

Bluttransfusion während einer Operation: Bei Eingriffen am Herzen geht es offenbar auch auf restriktive Weise.

© Mathias Ernert, Uniklinik Heidelberg

Herzoperationen verursachen Blutverluste. Die Zahl der Bluttransfusionen lässt sich in solchen Fällen durch eine restriktive Indikationsstellung im Vergleich zu einer großzügigeren Anwendung erheblich verringern, ohne dass die Patienten dadurch Schaden erleiden. Das belegen jetzt die Ergebnisse einer großen Vergleichsstudie.

Weil sich die Blutverluste bei Herzoperation kaum vermeiden lassen, sind Bluttransfusionen nötig, um eine Anämie zu verhindern. Diese ist bekanntlich mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Andererseits gehen Transfusionen von Fremdblut aber auch mit Risiken einher. Soll in dieser Situation also eher nach restriktiven oder liberalen Kriterien über eine Transfusion entschieden werden? Nach derzeitige Studienlage gibt es darauf keine definitive Antwort.

Eine jetzt beim Kongress der American Heart Association (AHA) in Anaheim im US-Staat Kalifornien präsentierte Studie sollte deshalb wichtige Entscheidungshilfen liefern. Die Ergebnisse der TRICS-III-Studie (Transfusion Requirements in Cardiac Surgery) hat Dr. Cyril David Mazer aus Toronto vorgestellt.

Die Studie wurde gleichzeitig im "New England Journal of Medicine" publiziert (NEJM 2017; online 12. November). Nach den Ergebnissen ist eine restriktive Praxis der Transfusion von roten Blutzellen bei Herzoperationen einer eher liberalen Transfusionsstrategie in klinischer Hinsicht "nicht unterlegen".

Studie mit 5243 Herzoperierten

In dieser Studie sind 5243 für eine Herzoperation vorgesehene Patienten mit einem mittleren bis hohen Operationsrisiko auf zwei Gruppen mit unterschiedlicher Transfusionsstrategie randomisiert worden. In der Gruppe mit restriktiver Indikation erhielten die Patienten Bluttransfusionen, sobald das Hämoglobin (Hb) im Operationssaal oder auf der Intensiv- und Normalstation auf unter 7,5 g/dl gefallen war.

In der Gruppe mit liberaler Strategie erfolgte eine Transfusion bereits dann, wenn der Hb-Wert auf unter 9,5 g/dl (unter 8,5 mg/dl auf der Normalstation) gesunken war. Je nach Strategie war der Anteil der Patienten, die eine oder mehrere Bluttransfusionen erhalten hatten, in beiden Gruppen erwartungsgemäß unterschiedlich: Bei restriktiver Indikation war er mit 52,3 Prozent auch nicht gerade niedrig, bei liberaler Indikation mit 72,3 Prozent aber deutlich höher.

Auf den klinischen Verlauf wirkte sich dieser Unterschied allerdings nicht aus. Maßgeblich für dessen Beurteilung war die Rate der Ereignisse Tod, Myokardinfarkt, Dialyse wegen neu aufgetretenem Nierenversagen und neue fokale neurologische Defizite (primärer kombinierter Endpunkt) zum Zeitpunkt der Klinikentlassung bzw. nach vier Wochen.

Mit 11,4 Prozent (restriktive Indikation) und 12,5 Prozent (liberale Indikation) unterschieden sich die entsprechenden Ereignisraten nur geringfügig.

Deutlich geringere Behandlungskosten

Mit Ausnahme von Herzinfarkten fielen die Ergebnisse bei allen anderen Komponenten des primären Endpunkts zumindest numerisch zugunsten der restriktiven Vorgehensweise aus. Etwas überraschend schien diese Strategie speziell bei älteren Patienten besonders vorteilhaft gewesen zu sein.

Die definierten statistischen Kriterien für "Nicht-Unterlegenheit" der restriktiven Strategie wurden damit klar erfüllt. Auch im Hinblick auf sekundäre Endpunkte wie Dauer des Klinikaufenthalts, akute Nierenschädigung oder Infektionen gab es keine nennenswerten Unterschiede.

Nach diesen Ergebnissen kann somit bei Herzoperationen auf viele Bluttransfusionen ohne Nachteil für die Patienten verzichtet werden. Das wirkt sich auch auf die Behandlungskosten vorteilhaft aus: Studienleiter Mazer taxierte die allein im Rahmen der Studie mit der restriktiven Strategie erzielte Kosteneinsparung auf rund 3 Millionen US-Dollar.

Mehr Informationen zur Kardiologie unter www.springermedizin.de

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