Studie entkräftet Mythos

Das Märchen vom Adipositas-Paradoxon

Ein paar Pfunde zu viel auf den Rippen ist gesund, besagt das Adipositas-Paradoxon. Eine große Studie räumt mit der Hypothese auf: Schon minimales Übergewicht schadet dem Herzen.

Alexander JoppichVon Alexander Joppich Veröffentlicht:
Übergewicht schützt vor Herzkrankheiten? Im Gegenteil, das ist das Ergebnis einer schottischen Studie mit 296.535 Teilnehmern.

Übergewicht schützt vor Herzkrankheiten? Im Gegenteil, das ist das Ergebnis einer schottischen Studie mit 296.535 Teilnehmern.

© staras / stock.adobe.com

GLASGOW. Bereits geringes Übergewicht erhöht das Risiko für eine Herz-Kreislauferkrankung. Diese Assoziation konnten schottische Forscher für weiße, mittelalte Menschen europäischer Abstammung ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung herstellen. Mit ihrer Studie, die im "European Heart Journal" erschienen ist (doi: 10.1093/eurheartj/ehy057), liefern die Wissenschaftler gleichzeitig Erkenntnisse, die das Adipositas-Paradoxon in Frage stellen.

Das geringste Risiko für CVDs (cardiovascular diseases, Herzkreislauferkrankung) hatten Menschen mit einem BMI zwischen 22 bis 23: Die Forscher definierten 22 als Basiswert für ihre Untersuchung. Ein Anstieg um 5,2 kg/m2 (Männer), bzw. 4,3 kg/m2 (Frauen) über den BMI von 22  kg/m2 erhöhte die Wahrscheinlichkeit für Herz-Kreislauferkrankungen um 13 Prozent. Ein BMI-Wert unter 18,5 wurde ebenfalls mit einem erhöhten CVD-Risiko assoziiert.

Mit einer Erhöhung des Hüftumfangs um 11,4 Zentimeter stieg das Risiko bei Männern um 10 Prozent (CI 95%, 1,08-1,13) – für Frauen lag die Risikoerhöhung bei 16 Prozent für eine Steigerung um 12,6 Zentimeter (CI 95%, 1,13-1,19). Das Risiko stieg für beide Faktoren danach nahezu linear an.

Kein Adipositas-Paradoxon nachweisbar

Die Studienergebnisse entkräftigen den vermeintlich positiven Effekt von leichtem Übergewicht, dem Adipositas-Paradoxon. "Wir waren nicht besonders überrascht, da wir ohnehin der Meinung waren, dass ein protektiver Effekt durch Körperfett keinen Sinn ergab. Als wir dann Raucher und Menschen mit Vorerkrankungen ausschlossen, verschwand dieser scheinbare Effekt komplett", sagte Co-Autorin Stamatina Iliodromiti gegenüber MedPageToday.

Einschränkend geben die Studienautoren an, dass die niedrige Teilnehmer-Antwortrate der verwendeten Datenbank (UK Biobank), wohl darauf hindeutet, dass tendenziell eher gesündere Menschen eine Rückmeldung gegeben haben. Auch haben die Forscher keine Erkenntnisse auf Biomarker für Glykämie gehabt.

Fast 300.000 Menschen schlossen die Schoten in ihre Kohortenstudie ein. Die Teilnehmer waren durchschnittlich 55 Jahre alt, der Frauenanteil lag bei 42,2 Prozent. Sie wurden im Durchschnitt 5 Jahre lang nachverfolgt.

Zwar ist das Adipositas-Paradoxon durch die schottische Studie nicht widerlegt, die Autoren zeigen allerdings, dass mehr Gewicht auch mit mehr CVDs assoziiert werden können. Eine Studie namens KIGGS hatte zuletzt ergeben, dass die Anzahl an adipösen Kindern in Deutschland nicht weiter ansteigt und diese weniger Limonade trinken.

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