Kohortenanalyse

Nüsse schützen kaum vor Herzkrankheiten

Wer viele Nüsse isst, bekommt seltener Herzleiden. Wird jedoch der gesamte Lebensstil berücksichtigt, verschwindet der Zusammenhang. Lediglich gegen Vorhofflimmern deutet sich für Nussliebhaber dann noch ein Nutzen an.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Was für ein Ge(Nuss)!

Was für ein Ge(Nuss)!

© raliand / stock.adobe.com

STOCKHOLM. Forscher können es nicht lassen: Immer wieder schauen sie, ob einzelne Nahrungsbestandteile einen Einfluss auf die großen Volkskrankheiten haben – als ob es sich nicht längst herumgesprochen hätte, dass ein komplexes Zusammenwirken von Alter, Lebensstil und genetischen Einflüssen darüber entscheidet, wer wann einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bekommt.

Doch Zahlen sind geduldig, und so lässt sich auch der eine oder andere auf tönernen Füßen stehende Zusammenhang errechnen.

Ein aktuelles Beispiel liefern schwedische Epidemiologen anhand einer prospektiven Untersuchung mit über 61.000 Teilnehmern (Heart, online 16. April 2018). Diese hatten unter anderem ihren Konsum von Nüssen in einem Ernährungsfragebogen preisgegeben.

Wer viele Nüsse aß, bekam in den folgenden Jahren tatsächlich weniger Herzkrankheiten. Das lag aber vor allem daran, dass sich die Nussliebhaber mehr bewegten und insgesamt gesünder ernährten als Nussverächter.

Nur einmal zur Ernährung befragt

Für die Untersuchung hatte ein Team um Dr. Susanna Larsson vom Karolinska-Institut in Stockholm Angaben einer schwedischen Kohortenstudie mit Männern sowie einer Mammografiekohorte mit Frauen ausgewertet.

Die Teilnehmer füllten zu Beginn auch einen Ernährungsfragebogen aus und machten Angaben zur ihren Lebensgewohnheiten. Nicht berücksichtigt wurden Teilnehmer mit bereits bestehenden kardiovaskulären Erkrankungen, Krebs oder extrem hoher Kalorienaufnahme.

Übrig blieben rund 33.000 Männer und 28.000 Frauen mit verwertbaren Daten. Alle waren nur ein einziges Mal – im Herbst 1997 – nach ihren Ernährungsgewohnheiten befragt worden. Die Forscher schauten nun, wie häufig bei den Teilnehmern im Laufe von 17 Jahren diverse kardiovaskuläre Erkrankungen auftraten.

Dreimal oder häufiger pro Woche hatten im Jahr 1997 nur etwa 1000 der Teilnehmer Nüsse konsumiert – also gerade einmal jeder 60ste.

Ein- bis zweimal Nüsse pro Woche gab es bei 3300 Teilnehmern. Über 90 Prozent erwärmten sich nur ein bis dreimal im Monat oder überhaupt nicht für Nüsse. Absolute Nussverächter stellten etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer.

Die wenigen Nussliebhaber mit hohem Konsum waren bei der Befragung im Vergleich zu den Abstinenzlern im Schnitt dreieinhalb Jahre jünger (56,6 versus 60,1 Jahre). Sie hatten mehr als doppelt so oft einen hohen Bildungsabschluss (37 versus 16 Prozent), rauchten seltener, waren dünner, bewegten sich deutlich mehr und präsentierten weniger oft kardiovaskulärer Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Hypercholesterinämie, auch aßen sie deutlich mehr Obst und Gemüse. Kurzum: Sie lebten erheblich gesünder und waren daher weit weniger gefährdet, kardiovaskuläre Erkrankungen zu entwickeln.

Wenig überraschend entwickelten sie im Verlauf der langen Nachbeobachtungsphase tatsächlich seltener kardiovaskuläre Erkrankungen, von denen insgesamt sehr viele Teilnehmer betroffen waren. So wurde rund 5000-mal ein Herzinfarkt diagnostiziert, 7600-mal ein Vorhofflimmern, knapp 3800-mal ein Schlaganfall und etwa 3200-mal eine Herzinsuffizienz.

Lediglich Marker für Lebensstil?

Berücksichtigten die Forscher um Larsson nur Alter und Geschlecht, so kam es bei den Nussliebhabern deutlich seltener zu Herzinfarkten, Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und Bauchaortenaneurysmen, aber ähnlich häufig zu ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfällen sowie zu Aortenklappenstenosen.

Berücksichtigten sie ferner Bewegung, Alkohol-, Tabak, Obst- und Gemüsekonsum, verschwand die statistische Relevanz für das Bauchaortenaneurysma und schwächte sich für die anderen Erkrankungen deutlich ab. Wurden weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren wie BMI, Blutdruck- und Blutfettwerte berücksichtigt, blieb eine Signifikanz nur noch für das Vorhofflimmern übrig.

Das Risiko dafür ist nach diesen Daten bei drei oder mehr Nussportionen in der Woche um 18 Prozent, bei ein bis zwei wöchentlichen Portionen um 12 Prozent geringer als bei Nussabstinenzlern.

Der Verdacht liegt nahe, dass eine weitere Adjustierung für Begleitfaktoren auch diesen Zusammenhang zunichte gemacht hätte.

Die Studienautoren geben immerhin zu, dass nicht alle relevanten Faktoren bekannt waren und daher auch nicht berücksichtigt werden konnten. Wer also einmal im Leben eine Phase hat, in der er gerne Nüsse ist, erleidet deswegen in den folgenden zwei Dekaden nicht weniger häufig eine kardiovaskuläre Erkrankung als Nussverächter.

Oder anders ausgedrückt: Nüsse allein schützen wohl kaum vor Herzkreislauferkrankungen, es kommt doch sehr darauf an, was man sonst noch isst und tut.

Immerhin scheint ein hoher Nusskonsum ein Marker für einen gesunden Lebensstil zu sein – viel mehr aber auch nicht.

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