Kontrollierte Studie

Ausreichend Folsäure schützt Hypertoniker vor Schlaganfall

Hypertoniker mit niedriger Thrombozytenzahl und hohen Homocysteinwerten sollten auf eine gute Folsäureversorgung achten. Dadurch können sie ihr Schlaganfallrisiko um mehr als 70 Prozent senken.

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Risikofaktor Bluthochdruck: In China ist die Schlaganfallrate in den vergangenen Dekaden drastisch gestiegen.

Risikofaktor Bluthochdruck: In China ist die Schlaganfallrate in den vergangenen Dekaden drastisch gestiegen.

© Tom Wang / stock.adobe.com

PEKING. Die Schlaganfallrate in China ist in den vergangenen Dekaden drastisch gestiegen, inzwischen gilt der zerebrale Insult in der Volksrepublik als Todesursache Nummer eins, berichten Ärzte um Dr. Xiangyi Kong von der Uniklinik in Peking. Ein Grund ist die immer stärkere Verbreitung kardiovaskulärer Erkrankungen durch einen sich wandelnden Lebensstil. Gefragt seien daher effektive, sichere und kostengünstige Präventionsmethoden. Zu diesen zählen die Ärzte auch eine ausreichende Versorgung mit Folsäure. Daran hapere es jedoch in vielen Regionen des riesigen Landes.

In der groß angelegten randomisiert-kontrollierten "China Stroke Primary Prevention Trial" (CSPPT) mit über 20.000 Teilnehmern (J Am Coll Cardiol, doi.org/10.1016/j.jacc.2018.02.072) konnte gezeigt werden, dass eine Folsäuresupplementierung zusätzlich zu einer Enalapriltherapie die Schlaganfallinzidenz um ein Fünftel senkt – und zwar bei Patienten mit einem hohen Risiko für Folsäuremangel. Die Ärzte um Kong gehen davon aus, dass Folsäure besonders jenen Patienten nützt, die im Blut eine geringe Zahl von Thrombozyten sowie hohe Homocysteinkonzentrationen aufweisen.

Wenige Thrombozyten im Blut deuteten auf eine endotheliale Dysfunktion: Endothelverletzungen im Zuge vaskulärer Erkrankungen lassen die Blutplättchen in den Gefäßen verklumpen. Entsprechend zirkulierten weniger in den Blutbahnen, so die Erklärung der Forscher. Dieser Prozess könnte durch Homocystein beschleunigt werden, schließlich gelte die Aminosäure als Risikofaktor für Endothelverletzungen.

Ob die Hypothese zutrifft, hat das Team um Kong anhand einer Auswertung der CSPPT-Daten überprüft. Und danach scheint der Nutzen einer Folsäuretherapie in der Tat bei solchen Patienten am höchsten zu sein, die relativ wenige Thrombozyten, dafür aber viel Homocystein im Blut haben.

Schutz nur bei niedrigen Thrombozytenzahlen

Für ihre Analyse beschränkten sich die Kardiologen auf jene knapp 10.800 Teilnehmer, deren Thrombozyten- und Homocysteinwerte zum Studienbeginn erfasst worden waren. Die Hypertoniker waren im Schnitt knapp 60 Jahre alt, zu 62 % weiblich und anfangs noch frei von kardiovaskulären Ereignissen oder manifesten Herzerkrankungen. Alle erhielten über 4,2 Jahre Enalapril (10 mg/d), die Hälfte zusätzlich 0,8 mg/d Folsäure.

Bei der Randomisierung wurde darauf geachtet, dass die Varianten im Gen für Methylen-Tetrahydro-Folatreduktase (MTHFR) in etwa gleich verteilt waren. Bestimmte Varianten können unter Folsäuremangel zu einem Homocysteinanstieg führen.

Die Ärzte um Kong teilten nun die Hypertoniker entsprechend ihrer Plättchenwerte in Quartilen ein. Im Quartil mit der niedrigsten Plättchenzahl betrug diese im Mittel 178 x 109/l, im Quartil mit der höchsten Zahl 352 x 109/l. Der Folsäurewert erreichte zu Beginn im Schnitt 7,8 ng/ml, der von Gesamthomocystein 14,7 Mikromol/l. Größere Unterschiede zwischen den Quartilen und den Therapiegruppen gab es hierbei nicht.

Im Studienzeitraum ereigneten sich 371 erste Schlaganfälle, davon 56 % in der Gruppe mit Enalapril als Monotherapie und 44 % bei den Patienten mit zusätzlicher Folsäure. 48 der Ereignisse wurden als hämorrhagische Infarkte erfasst, das waren knapp 13 % aller Schlaganfälle.

Wie sich zeigte, profitierten fast ausschließlich Hypertoniker im Quartil mit den niedrigsten Plättchenwerten von der Folsäure-Zusatzbehandlung: Mit Enalapril allein lag die Schlaganfallrate bei 4,6 %, mit zusätzlicher Folsäure betrug sie nur 1,9 % – eine Risikoreduktion um 58 %, sofern sämtliche bekannten Begleitfaktoren berücksichtigt wurden. In den übrigen Quartilen zeigten sich hingegen kaum Unterschiede, hier brachte der Folsäurezusatz offenbar nichts, die Schlaganfallrate lag in allen übrigen Gruppen zwischen 3 und 4 %.

Hypertoniker mit wenig Thrombozyten erlitten unter einer Folsäurebehandlung sowohl seltener ischämische als auch hämorrhagische Insulte, signifikant war die Differenz jedoch nur bei den ischämischen Infarkten.

Homocysteinwert relevant

Als nächstes berücksichtigten die Kardiologen auch den Homocysteinwert. Lag dieser unter 15 Mikromol/l, waren die Thrombozytenzahlen weitgehend irrelevant: In der Gruppe mit Folsäure-Zusatzbehandlung erlitten 3 % der Patienten mit niedrigen Plättchenwerten einen Schlaganfall, ohne Folsäure waren es 3,3 %.

Ganz anders jedoch das Resultat unter den Patienten mit hohen Homocysteinwerten (über 15 Mikromol/l) und niedrigen Thrombozytenzahlen: Hier traf 1,8 % mit und 5,6 % ohne Folsäure der Schlag. Mit Folsäuresupplementierung war in dieser Gruppe die Schlaganfallrate um 73 % geringer, sofern sämtliche Begleitfaktoren berücksichtigt wurden.

Insgesamt hatte die Folsäurebehandlung also primär in der Gruppe mit geringer Thrombozytenzahl und hohen Homocysteinwerten einen Nutzen bei der Schlaganfallprimärprävention, nicht aber bei Hypertonikern mit ausreichend niedrigen Homocystein- und normalen Thrombozytenwerten.

Ein simpler Test auf Homocystein und Thrombozyten könnte folglich jene Hypertoniker aufspüren, die ein besonders hohes Schlaganfallrisiko haben und daher von Folsäure profitieren, geben die Ärzte um Kong zu bedenken.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Welche Hypertoniker profitieren besonders von einer Folsäure-Zusatztherapie?

Antwort: Hypertoniker mit hohen Homocysteinwerten und niedrigen Thrombozytenzahlen können ihr Schlaganfallrisiko drastisch senken, wenn sie ausreichend Folsäure zu sich nehmen.

Bedeutung: Eine Folsäuresupplementierung kann bei Hypertonikern mit hohem Schlaganfallrisiko zur Primärprävention hilfreich sein.

Einschränkung: Es ist kein Nutzen einer Folsäuresupplementierung bei üblichen Homocystein- und Folsäurespiegeln sowie normalen Thrombozytenzahlen zu erwarten.

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