Zu viel Lärm lässt auch bei Kindern den Blutdruck steigen

Straßenverkehr, Flugzeuge, Maschinen, laute Musik - schon Kinder macht der Lärm krank: Manchmal ist es das Kinderzimmer an der Hauptverkehrsstraße, manchmal aber auch die Dröhnung aus dem MP3-Player.

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Was für ein Krach! Lärm kann Kinder krank machen.

Was für ein Krach! Lärm kann Kinder krank machen.

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Von Ursula Armstrong

Ein Hauptgrund für die Lärmbelastung von Kindern ist der Straßenverkehr. Nach einer neuen Studie des Umweltbundesamtes wohnt jedes sechste deutsche Kind an stark befahrenen Haupt- oder Durchgangsstraßen. Bei fast zwei Dritteln dieser Kinder liegt das Kinderzimmer zur Straße hin. Jedes sechste der 11- bis 14-jährigen Kinder fühlt sich tags und jedes zwölfte Kind nachts durch Straßenverkehrslärm belästigt. Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus sind insgesamt stärker betroffen.

Die Daten stammen aus dem Kinder-Umwelt-Survey (KUS), einer repräsentativen Studie zur Umweltbelastung der Kinder in Deutschland, die das Umweltbundesamt zwischen 2003 bis 2006 erhoben hat. Der Survey ist ein Teilprojekt des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys des Robert-Koch-Instituts.

Im Teilprojekt "Lärm" wurden Lärmexposition und Lärmwirkungen bei 1084 Kindern zwischen acht und 14 Jahren untersucht. Dazu wurde ein Hörtest-Screening bei den Kindern gemacht und der Blutdruck gemessen. Hinzu kamen Befragungen nach potenziell Gehör gefährdenden Freizeitgewohnheiten, Gehörsymptomen und der Belästigung durch Umweltlärm. Auch die Eltern wurden befragt.

Per Fragebogen und einer kurzzeitigen orientierenden Schallpegelmessung haben die Fachleute des Umweltbundesamtes die Belastung der Wohnung durch Straßenverkehrslärm bestimmt. Dabei gaben 21 Prozent der Kinder an, Schlafschwierigkeiten zu haben. Die höchste Prävalenz von Schlafstörungen stellten die Experten bei den Kindern fest, die an stark oder extrem stark befahrenen Straßen wohnen. Gestört ist dann vor allem das Durchschlafen. Der Effekt war aber statistisch nicht signifikant.

Kinder, deren Schlafzimmer an einer lauten Straße liegt, haben im Mittel auch einen um 1,1 mmHg höheren systolischen Blutdruck als Kinder, die ohne Verkehrslärm schlafen. Und: Systolischer und diastolischer Blutdruck sowie Herzfrequenz sind signifikant verbunden mit dem Schallpegel, den die Tester vor dem Kinderschlafzimmer gemessen haben.

Ein Anstieg des Schallpegels um 10 dB führt zu Blutdrucksteigerungen um 0,9 mmHg systolisch, sowie 0,6 mmHg diastolisch, und zum Anstieg der Herzfrequenz um 1,2 Schläge pro Minute. Verkehrslärm verursacht also schon bei Kindern messbare Gesundheitsstörungen.

Laute Musik ist ein weiterer Hauptgrund für lärmbedingte Hörstörungen. Auch das wurde im Kinder-Umwelt-Survey abgefragt: Jedes achte Kind zwischen 8 und 14 Jahren hat schon eine auffällige Hörminderung, 11 Prozent der Kinder berichten über Tinnitus nach dem Hören lauter Musik. Ein direkter Zusammenhang zwischen Hörproblemen und den Fragebogenangaben zur Benutzung von MP3-Playern und ähnlichen Geräten sei bei den noch jungen Kindern jedoch nicht festgestellt worden, heißt es.

45 Prozent der 8- bis 10-Jährigen und 70 Prozent der 11- bis 14-Jährigen hören Musik mit solchen Geräten. In der älteren Gruppe beträgt die durchschnittliche Hördauer eine halbe Stunde pro Tag. Fünf Prozent der älteren Kinder hören immerhin täglich mindestens zwei Stunden Musik über Kopfhörer. Etwa ein Viertel gibt an, die Musik laut zu hören. Jeder Zehnte hat den Lautstärkeregler immer am oberen Anschlag. Kinder mit niedrigem Sozialstatus benutzen die Geräte länger und hören lauter.

Zur Lautstärke der Musik gibt es Hinweise aus einer EU-Studie: Demnach hat die Dauerbeschallung über Mini-Kopfhörer von MP3-Playern und Handys Mittelwerte von 100 dB. Zum Vergleich: Ab 85 dB gilt dauerhafter Lärm bereits als hörschädigend. Und am Arbeitsplatz ist sogar schon ab 80 dB Gehörschutz vorgeschrieben. Kein Wunder also, dass jeder vierte Jugendliche zwischen 16 und 24 bereits einen nicht reversiblen Hörverlust hat.

Den Kinder-Umwelt-Survey gibt es im Internet: www.umweltdaten.de.

Kinder-Umwelt-Survey

Für den Kinder-Umwelt-Survey wurden zwischen 2003 bis 2006 bei 1790 Kindern von 3 bis 14 Jahren aus 150 Orten Umweltdaten erhoben. Die Forscher untersuchten dabei Blut-, Urin-, Trinkwasser-, Hausstaub- und Innenraumluftproben und nahmen Hörtests sowie Schallpegelmessungen vor.

Geprüft wurden bei Kindern auch die Belastungen durch Schimmel, Tierhaare und Lärm sowie Reizungen der Augen und des Atemtraktes durch flüchtige organische Verbindungen. (eb)

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