Op als Therapie

Bariatrische Chirurgie rückt Bluthochdruck zu Leibe

Adipöse Hypertoniker konnten in einer Studie nach bariatrischer Chirurgie ihre antihypertensive Medikation erheblich reduzieren. Die Hälfte erreichte sogar eine Remission des Bluthochdrucks.

Von Dirk Einecke Veröffentlicht:
Hilfreich für adipöse Hypertoniker: eine bariatrische Operation.

Hilfreich für adipöse Hypertoniker: eine bariatrische Operation.

© Kurhan /Fotolia

ANAHEIM. Einmal mehr erscheint Fettleibigkeit, der man in den USA an jeder Straßenecke begegnet, als die Mutter allen kardiovaskulären Übels, zumindest aber einiger kardiovaskulärer Hauptrisikofaktoren.Schon länger ist bekannt: Patienten mit metabolischem Syndrom können Blutdruck, Fett- und Glukosestoffwechsel positiv beeinflussen, wenn es ihnen denn gelingt, dauerhaft ein paar Kilogramm abzunehmen. Ein radikaleres Vorgehen gegen den Speck zeitigt verblüffende Erfolge. So ist den im Frühjahr publizierten 5-Jahres-Daten der STAMPEDE-Studie (N Engl J Med. 2017; 376: 641-51) zu entnehmen, dass eine nachhaltige Gewichtsreduktion um etwa 20 Prozent bei Diabetikern die HbA1c-Werte langfristig im Schnitt um etwa 2 Prozent verbessert (von 9,3 Prozent auf 7,3 Prozent). Ein Viertel der Patienten verzeichnete sogar eine Remission des Typ-2-Diabetes.

An der Studie hatten 150 Patienten teilgenommen. Verglichen worden waren Magenschlauchanlage, Roux-en-Y-Bypass-Anlage und intensive medikamentöse Therapie. Die Kontrollgruppe reduzierte übrigens ihr Gewicht um 5,3 kg und verbesserte ihren HbA1c-Wert von 8,8 Prozent auf 8,5 Prozent.

In der GATEWAY-Studie, deren Ergebnisse beim Jahreskongress der American Heart Association vorgestellt und zeitgleich in "Circulation" publiziert wurden (2017; online 13. November), sind die bariatrischen Chirurgen nun auch Hypertonikern im wahrsten Sinne des Wortes zu Leibe gerückt.

Ausgehend von der Beobachtung, dass die Magenbypass-Chirurgie bei Diabetikern auch den Blutdruck senkte sowie das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen verminderte, unternahmen sie eine randomisierte Studie mit 100 adipösen Hypertonikern (BMI im Schnitt 37, 70 Prozent weiblich), die mit im Durchschnitt drei antihypertensiven Medikamenten ihren Blutdruck kontrollierten.

Primärer Endpunkt war eine mindestens 30-prozentige Reduktion der antihypertensiven Medikation und Aufrechterhaltung von Druckwerten unter 140/90 mmHg nach 12 Monaten. Wichtigster sekundärer Endpunkt war eine Remission des Hypertonus. Die Intervention bestand in der Anlage eines Magenbypasses per Roux-en-Y-Anastomose. Zudem wurde in beiden Gruppen antihypertensiv behandelt. Bei Werten über 140/90 mmHg wurde die Therapie intensiviert, bei Werten unter 110 mmHg systolisch oder 70 mmHg diastolisch wurde sie reduziert.

Die Ergebnisse zeigten einen durchschlagenden Effekt der bariatrischen Chirurgie: 84 Prozent der operierten, aber nur 13 Prozent der rein medikamentös behandelten Patienten erreichten den primären Endpunkt, berichtete Studienautor Dr. Carlos Schiavon vom Heart Hospital Hcor in Sao Paolo. In der operierten Gruppe nahmen 75 Prozent der Patienten nach einem Jahr nur noch eines oder gar kein Antihypertensivum mehr ein. In der Kontrollgruppe benötigten 50 Prozent der Patienten drei oder mehr Antihypertonika. Die mittleren Blutdruckwerte lagen nach Op bei 123/77 mmHg, ohne Op bei 128/81 mmHg.

Bei 51 Prozent der operierten Patienten ging die Hypertonie sogar in Remission, die Werte lagen ganz ohne Medikamente unter 140/90 mmHg. 33 Prozent erreichten Werte unter 120/80 mmHg, 22 davon ohne Medikamente. In der Kontrollgruppe gab es keine Remissionen. Die 30-prozentige Reduktion der antihypertensiven Medikation verzeichneten Operierte schon nach einem Monat. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie erst knapp 10 Prozent ihres Gewichts verloren. Nach einem Jahr hatten die operierten Patienten über 25 Prozent ihres Gewichtes verloren. Außerdem reduzierten sie ihren Bauchumfang (87 cm vs. 110 cm), ihr LDL-Cholesterin (87 vs. 116 mg/dl), den Entzündungsparameter hsCRP (3,1 vs. 8,1 mg/l), ihren HOMA-Index (1,1 vs. 4,8) und ihr 10-Jahres-Risiko im Framingham-Risk-Score (4,5 vs. 6,8 Prozent).

Umsonst gab es die Effekte allerdings nicht. Erkauft wurden sie etwa mit Ernährungsdefiziten, die in der Op-Gruppe anfangs 26 Prozent und am Ende 50 Prozent der Patienten aufwiesen. Auch der Anämie-Prozentsatz stieg von 6 auf 14 Prozent, Hypovitaminosen B12 von 9 auf 28 Prozent. Auch mussten die Patienten der Magenbypass-Gruppe häufiger rehospitalisiert werden, je einer wegen einem Abszess und Erbrechen mit Dehydratation, vier wegen einer Cholelithiasis.

Auf der anderen Seite hatten die Patienten der STAMPEDE-Studie fünf Jahre nach dem Eingriff eine deutlich bessere Lebensqualität zu Protokoll gegeben als die nicht operierten Patienten der Kontrollgruppe.

Unter dem Strich halten die Autoren die bariatrische Chirurgie für eine effektive Strategie bei schwer übergewichtigen Hypertonikern, die das metabolische und das inflammatorische Profil nachhaltig verbessert und damit das Potenzial aufweist, schwere kardiovaskuläre Komplikationen zu verhüten. Zudem umgeht sie die Compliance-Problematik.

Weitere Informationen zur Kardiologie unter www.springermedizin.de

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