Konsensuspapier

Cholesterin macht Atherosklerose – ganz sicher!

Die "Cholesterin-Lüge" macht bei Skeptikern immer noch die Runde. Ein Konsensuspapier der Europäischen Atherosklerose-Gesellschaft (EAS) gibt ihnen nun Kontra: An der kausalen Rolle des LDL-Cholesterins bei der AtheroskleroseEntwicklung gebe es keinen Zweifel.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:
Forscher betonen im Konsens: Das "low density lipoprotein" (LDL) und weitere cholesterinhaltige Lipoproteine sind direkt an der Entstehung und dem Fortschreiten der Arteriosklerose beteiligt.

Forscher betonen im Konsens: Das "low density lipoprotein" (LDL) und weitere cholesterinhaltige Lipoproteine sind direkt an der Entstehung und dem Fortschreiten der Arteriosklerose beteiligt.

© psdesign1 / Fotolia

DETROIT. Das Gerücht, Cholesterin sei überhaupt kein Risikofaktor für Atherosklerose, hält sich hartnäckig. Mit der Schlagzeile "Die Cholesterin-Lüge" wird der kausale Zusammenhang in der Laienpresse in regelmäßigen Abständen als Märchen oder Schwindel abgetan, an dem Ärzte und vor allem die Pharmaindustrie Milliarden verdienten. Millionen Menschen würden nämlich unnötigerweise Statine einnehmen. Die Folge einer solchen Berichterstattung liegen auf der Hand: Patienten sind verunsichert und setzen ihre Medikation ab.

Jegliche Zweifel an der kausalen Rolle des Cholesterins an der Arteriosklerose-Entstehung wollen Mitglieder der Europäischen Arteriosklerose-Gesellschaft (EAS) um Brian Ference nun ausräumen. In einem Konsensuspapier führen sie Argumente auf, nach denen eine Kausalität nicht von der Hand zu weisen ist (Eur Heart J. 2017; online 24.April).

Zusammenhang ist plausibel

Zum einen ist die Plausibilität des Zusammenhanges ihrer Ansicht nach eindeutig gegeben. Das "low density lipoprotein" (LDL) und weitere cholesterinhaltige Lipoproteine sind direkt an der Entstehung und dem Fortschreiten der Arteriosklerose beteiligt. Eine experimentell induzierte Erhöhung des Plasma-LDL und anderer apoB-haltiger Lipoproteine führe in allen untersuchten Säugetierspezies zur Gefäßverkalkung, argumentieren die Wissenschaftler.

Zum anderen ist die Datenlage von bestechender Konsistenz: "Über 200 Studien mit mehr als zwei Millionen Teilnehmern, über 20 Millionen Personenjahren sowie mehr als 150.000 kardiovaskulären Ereignissen belegen übereinstimmend eine dosisabhängige, lineare Assoziation zwischen dem absoluten Ausmaß einer LDL-Exposition und der Höhe des Arteriosklerose-Risikos", heißt es in dem Papier der EAS-Experten.

Ein schlagkräftiges Argument für einen kausalen Zusammenhang sind die kardiovaskulären Auswirkungen vererbbarer Stoffwechselerkrankungen wie der familiären Hypercholesterinämie.

Menschen, die eine Mutation in einem der in dem Cholesterinstoffwechsel beteiligten Gene aufweisen, haben deutlich erhöhte LDL-Cholesterinwerte. Damit einhergehend leiden die betroffenen Personen – wenn die Erkrankung unerkannt und unbehandelt bleibt – frühzeitig an kardiovaskulären Erkrankungen. Auf der anderen Seite haben Personen mit Loss-of-Function-Mutationen im PCSK9-Gen, die mit sehr niedrigen LDL-C-Konzentrationen einhergehen, ein auffällig niedriges kardiovaskuläres Risiko.

Therapeutische Ansätze, die genau an diesen Stellschrauben angreifen, führen wiederum zu einer merklichen Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse. Die dadurch erreichte Risikosenkung ist proportional zu der LDL-Cholesterinsenkung, die durch die Medikation erreicht wird. Also je tiefer das LDL-C gesenkt wird, desto niedriger ist das kardiovaskuläre Risiko. Eine solche Dosisabhängigkeit ist ein weiteres Kriterium, das für eine Kausalität eines Zusammenhanges erfüllt sein sollte.

So ließ sich in einer Metaanalyse mit 26 Statin-Studien das kardiovaskuläre Risiko der fast 170.000 Teilnehmer während einer fünfjährigen Statinbehandlung proportional um 22% pro mmol/L erreichte LDL-C-Reduktion senken. Überzeugend ist auch die Wirksamkeit der neuen PCSK9-Inhibitoren, die die LDL-C-Spiegel in ungeahnte Tiefen zu senken vermögen. Bereits nach einer mittleren Behandlungszeit von 2,2 Jahren ging die Rate an Herzinfarkten und Schlaganfällen in der erst kürzlich publizierten FOURIER-Studie um 20% zurück; gleichzeitig wurde das LDL-Cholesterin von anfänglich 92 mg/dl auf 30 mg/dl gesenkt.

Kumulativer schädlicher Effekt

Die aus randomisierten Studien gewonnenen Erkenntnisse werden durch zahlreiche prospektive epidemiologische Studien bestätigt. Hier ist der lineare Zusammenhang zwischen dem absoluten Ausmaß der LDL-Cholesterin-Exposition und der Höhe des kardiovaskulären Risikos auch über längere Zeit zu beobachten.

Darüber hinaus belegen Studien mit Mendelscher Randomisierung einen kumulativen, also mit der Zeit zunehmenden schädlichen Effekt einer dauerhaften (hier genetisch bedingten) LDL-C-Erhöhung.

Alles in allem gebe es somit eine eindeutige und konsistente Evidenz, dass das LDL-Cholesterin nicht nur einen Biomarker darstelle, sondern ursächlich an der Pathophysiologie der Arteriosklerose beteiligt sei, resümieren die Autoren. In Anbetracht des kumulativen schädlichen Effektes einer dauerhaften LDL-C-Erhöhung könnte es ihrer Ansicht nach sinnvoll sein, bei Hochrisikopatienten das LDL-C therapeutisch sogar noch früher als bisher empfohlen zu senken.

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