Hohe Rate unentdeckter Störungen der Glukoseregulation bei KHK

Kardiologen und Diabetologen kommen sich näher. Das ist kein Wunder angesichts der Tatsache, daß die meisten Diabetiker an Herz-Kreislauf-Erkrankungen erkranken und sterben. So wichtig es ist, bei Diabetikern an das kardiovaskuläre Risiko zu denken, so wichtig scheint zu sein, bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf den Glukosestoffwechsel zu achten. Denn die Prävalenz von bis dato unentdeckten Störungen der Glukoseregulation ist bei dieser Risikogruppe überraschend hoch, wie neue Studien zeigen.

Veröffentlicht:

Peter Overbeck

Mehrere in München präsentierte Studien machen deutlich, daß nur eine Minderheit unter den kardiovaskulär erkrankten Patienten einen normalen Glukosestoffwechsel aufweist.

Glukoseregulation bei Myokardinfarkt oft gestört
Zeitpunkt
normale Glukosetoleranz
eingeschränkte Glukosetoleranz
Diabetes
mellitus
Klinikentlassung
33%
34%
33%
nach 3 Monaten
34%
41%
25%
nach 12 Monaten
35%
40%
25%
Quelle: L. Ryden, Grafik: Forschung und Praxis / Ärzte Zeitung
Ergebnisse der GAMI-Studie: Zwei Drittel aller untersuchten Patienten mit Myokardinfarkt hatten eine gestörte Glukoseregulation (Diabetes oder IGT).

Beispiel GAMI-Studie (Glucose Abnormalities in Patients with Myocardial Infarction). In dieser Studie hat eine Stockholmer Forschergruppe um Professor Lars Ryden bei 164 Patienten mit akutem Myokardinfarkt zum Zeitpunkt der Klinikentlassung wie auch nach drei und zwölf Monaten einen oralen Glukosetoleranztest (oGTT) vorgenommen. Kein Patient hatte einen zuvor bekannten Diabetes.

Normaler Glukosemetabolismus nur bei einem Drittel

Nur ein Drittel aller untersuchten Infarktpatienten hatte beim ersten Test zwei Stunden nach oraler Belastung mit 75 mg Glukose normale Glukosewerte. Bei den übrigen diagnostizierten die Untersucher je zur Hälfte entweder einen bislang unerkannten Diabetes oder eine gestörte Glukosetoleranz (IGT, impaired glucose tolerance).

Abgesehen von geringen Verschiebungen bestand dieses Verteilungsmuster von normaler und gestörter Glukoseregulation auch nach drei und zwölf Monaten. Die Vermutung, daß durch das Infarktereignis ausgelöster Streß zu vorübergehenden metabolischen Störungen geführt haben könnte, sei damit auszuschließen, betonte Ryden.

In der 2,8jährigen Nachbeobachtungsperiode betrug die Inzidenz kardiovaskulärer Komplikationen 18 Prozent (31 Ereignisse). Wie Ryden berichtete, war die Rate klinischer Ereignisse wie Tod, Reinfarkt, Schlaganfall oder Herzinsuffizienz in der Gruppe mit gestörter Glukoseregulation signifikant höher als in der Gruppe mit normalem Glukosestoffwechsel.

Der Münchner Diabetologe Professor Eberhard Standl plädierte deshalb in seiner Diskussion der GAMI-Ergebnisse für einen Paradigmenwechsel in der Praxis. Nach seiner Ansicht sollte künftig bei allen Patienten mit Myokardinfarkt vor Entlassung aus der Klinik ein oraler Glukosetoleranztest zum Ausschluß einer gestörten Glukoseregulation vorgenommen werden.

Möglicherweise sollte damit nicht gewartet werden, bis die Gefäßerkrankung - etwa in Form eines Myokardinfarktes - klinisch manifest geworden ist. Denn schon in einem früheren Stadium, in dem zwar kardiovaskuläre Risikofaktoren, aber noch keine KHK vorhanden sind, ist die Glukoseregulation häufig schon gestört.

NAVIGATOR: Jeder Fünfte war Diabetiker und wußte es nicht

Das belegen erste Daten aus der Screening-Phase der NAVIGATOR-Studie. In dieser noch laufenden Mega-Studie wird bei Risikopatienten mit eingeschränkter Glukosetoleranz, jedoch ohne Diabetes, geprüft, ob mit dem Antidiabetikum Nateglinid und /oder dem AT1-Rezeptorblocker Valsartan der Entwicklung eines Typ-2-Diabetes und seiner Komplikationen vorgebeugt werden kann.

Bei der Suche nach geeigneten Studienteilnehmern wird erstmals systematisch auch ein oGTT vorgenommen. Bislang wurden 43 509 potentielle Probanden mit kardiovaskulären Risikofaktoren oder schon bestehender Herz-Kreislauf-Erkrankung untersucht, berichtete Professor John Murray aus Glasgow. Der Anteil der Patienten mit manifester kardiovaskulärer Erkrankung betrug 22 Prozent.

Die Analyse der oGTT-Ergebnisse ergab eine hohe Rate von bislang unentdeckten Störungen des Glukosestoffwechsels. Wie McMurray berichtete, ist bei etwa jeder fünften untersuchten Person ein bislang unerkannter Diabetes diagnostiziert worden.

Noch höher war mit 28,3 Prozent der Anteil der Personen, bei denen durch das Screening mittels oGTT zwar kein Diabetes, aber eine eingeschränkte Glukosetoleranz als mögliche Diabetes-Vorstufe entdeckt wurde. Nur bei etwa einem Drittel aller untersuchten Kandidaten für die Studienteilnahme erwiesen sich Glukose- und Insulinmetabolismus als normal.

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