Das Kreuz mit dem LDL

Der Hinweis, daß im Alltag sehr viele Patienten wichtige Medikamente nicht erhalten oder in zu geringer Dosierung oder nicht nach einem an Leitlinien orientierten Schema, gehört zu den immer wiederkehrenden Aussagen auf wissenschaftlichen Kongressen. Einige Jahre lang stand hier die Klage über eine zu niedrige Dosierung von ACE-Hemmern bei Herzinsuffizienz-Patienten an der Spitze der Liste. Heute macht den Kardiologen die Sache mit der Senkung des LDL-Cholesterins am meisten Kummer.

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Hagen Rudolph

Zwar bekommen inzwischen die meisten Patienten mit einer Koronaren Herzkrankheit oder mit erhöhtem Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis auch wirklich ein Statin (wenngleich die Rate hier noch besser werden könnte). Was aber immer wieder Anlaß zu besonders heftigen Klagen gibt, ist die Tatsache, daß die Zielwerte relativ selten erreicht werden.

Das hat natürlich auch damit zu tun, daß durch immer weitere wissenschaftliche Erkenntnisse die Zielwerte in den letzten Jahren immer weiter nach unten gegangen sind. Beim LDL-Cholesterin galten noch vor wenigen Jahren 130 mg / dl als ganz gut, dann wurden es 100 mg / dl, inzwischen gilt, daß die Werte bei Risiko-Patienten unter 100, bei Hochrisiko-Patienten nach Ansicht vieler Forscher sogar nur bei 70 mg / dl liegen sollten.

Bis wissenschaftlicher Standard zum therapeutischen Standard im Alltag wird, vergeht ohnehin immer einige Zeit. Solche schnellen Änderungen in den Leitlinien oder in den Empfehlungen jedoch machen den Weg von der Forschung in die Praxis mühsamer. In Deutschland kommt noch erschwerend hinzu, daß durch politischen Druck moderne Therapien eher behindert als gefördert werden.

Bei wie vielen Patienten die Zielwerte beim LDL-Cholesterin erreicht werden, dazu schwanken die Zahlen, die aus Umfragen und Register-Untersuchungen hervorgehen. Sie reichen von erschreckenden 20 bis zu immer noch alarmierenden 60 Prozent.

Es gibt allerdings auch eine naheliegende medizinische Hürde. Die Zielwerte sind um so schwerer zu erreichen, je niedriger sie sind und je höher die Ausgangswerte sind. Für Statine etwa gilt die sogenannte Sechser-Regel, wonach durch eine Verdoppelung der Dosis jeweils das LDL-Cholesterin nur um etwa sechs Prozentpunkte mehr gesenkt werden kann.

Mit Statinen, die die Cholesterin-Synthese in der Leber bremsen, kommt man bei hohen Ausgangswerten also entweder nur mit hohen Dosierungen oder manchmal auch gar nicht zum Ziel.

Etwas leichter zum Ziel kommt man da mit der Kombination aus einem Statin und dem Ezetimib, einer Substanz, die die Cholesterin-Resorption im Darm hemmt.

Was mit solch einer Kombination möglich ist, hat beim Herzkongreß in Atlanta der Kardiologe Prof. Christie M. Ballantyne aus Houston im US-Staat Texas erneut mit Daten aus der Vyva-Studie demonstriert, einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Dosis-Vergleichsstudie mit 1902 Patienten, die entweder eine Kombination aus Ezetimib und Simvastatin bekamen oder das hochpotente Atorvastatin allein. Der Name Vyva ist abgeleitet aus dem Präparate-Namen der Kombination in den USA. Sie ist dort als Vytorin® im Handel. In Deutschland heißt das Medikament Inegy®.

Das Vyva-Hauptergebnis: Mit der Kombinationen aus 10 mg Ezetimib plus 10, 20, 40 oder 80 mg Simvastatin wurden die LDL-Spiegel immer stärker gesenkt als mit jeweils 10, 20, 40 oder 80 mg Atorvastatin allein (Die Patienten hatten LDL-Ausgangswerte zwischen 170 und 180 mg / dl.)

Und nach Ergebnissen einer neuen Post-hoc-Analyse war die Effektivität der Kombination auch dann stärker, wenn die erreichten LDL-Werte jeweils zusammen betrachtet wurden mit den Werten für das C-reaktive Protein (CRP) oder für das Apolipoprotein B1 (Apo B). Hohe CRP-Spiegel und hohe Apo-B-Spiegel werten Kardiologen als problematisch.

Nach den gepoolten Daten über alle Dosierungen hinweg erreichten mit der Kombination 20,7 Prozent der Patienten das eine Doppelziel (LDL unter 70 mg / dl plus CRP unter 2 mg / l), und 32,5 Prozent der Patienten das andere (LDL unter 70 mg / dl plus Apo B unter 90 mg / dl). Mit der Monotherapie waren die Prozentsätze bei beiden Doppelzielen signifikant niedriger: 9,8 Prozent und 16,0 Prozent.

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