Vorhofflimmern

Weniger Schlaganfälle bei "Chicken Wing"

Das linke Vorhofohr ist bei Vorhofflimmern häufig Ursprungsort von Thromben, die zum Schlaganfall führen können. Allerdings scheint das Schlaganfallrisiko je nach anatomischer Struktur des Vorhofohrs deutlich zu variieren.

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Herzohr (hier mit Verschluss): Die Anatomie entscheidet offenbar mit über das Schlaganfallrisiko bei Vorhofflimmern.

Herzohr (hier mit Verschluss): Die Anatomie entscheidet offenbar mit über das Schlaganfallrisiko bei Vorhofflimmern.

© St Jude Medical

AUSTIN (ob). Bei Vorhofflimmern können Thromben im Herzen entstehen. Die Gefahr besteht, dass sie in den Körperkreislauf gelangen und so einen Schlaganfall bewirken.

Kardiale Quelle solcher Thromboembolien ist häufig das linke Vorhofohr, eine sackartige Ausstülpung des linken Vorhofs.

Wie hoch das Schlaganfallrisiko bei Vorhofflimmern ist, scheint auch durch die besondere anatomische Struktur des Vorhofohrs determiniert zu sein.

Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine US-Forschergruppe um den Arrhythmie-Experten Dr. Andrea Natale aus Austin (Texas) in einer neuen Studie (JACC 2012; 60: 531).

Vier Vorhofohr-Typen nach anatomischen Kriterien

Die Forscher haben bei 932 Patienten mit therapierefraktärem Vorhofflimmern, bei denen eine kathetergestützte Ablationsbehandlung geplant war, per Kardio-CT oder MR-Bildgebung die anatomische Struktur des linken Vorhofohrs erfasst.

Mit viel Phantasie wurde die Morphologie dieser Vorhofaussackung deskriptiv in vier strukturelle Kategorien unterteilt:

  • eine dem "Chicken Wing" ähnliche Morphologie, bei der die Aussackung im proximalen oder mittleren Teil einen typischen Knick aufwies
  • eine "Kaktus"-Morphologie mit dominanter zentraler Aussackung und davon nach oben und unten abgehenden kleineren Ausstülpungen
  • eine "Windsack"-Morphologie mit einem dominanten Lobus und
  • eine "Blumenkohl"-Morphologie mit sehr unregelmäßig konfigurierten Ausstülpungen.

Die "Chicken-Wing"-Morphologie war mit einem Anteil von 48 Prozent die mit Abstand häufigste Vorhofohr-Form. Der Anteil der übrigen Formen lag bei 3 Prozent (Blumenkohl), 19 Prozent (Windsack) und 30 Prozent (Kaktus).

Risiko variierte je nach Vorhofohr-Typ

Bei 8 Prozent aller Studienteilnehmer war es in der Vorgeschichte bereits zu einem Schlaganfall oder zu transitorisch-ischämischen Attacken (TIA) gekommen.

Allerdings variierte das Risiko sehr deutlich in Abhängigkeit von der Vorhofohr-Morphologie.

Bei bestehender "Chicken Wing"-Struktur als häufigster anatomischer Struktur war zugleich die Prävalenz von Schlaganfällen mit 4 Prozent am niedrigsten.

Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass das Vorhofohr bei dieser Konfiguration die glattesten Konturen und die wenigsten kleinen Ausstülpungen zeigte - und somit relativ schlechte Voraussetzungen für die Entstehung von Thromben bietet.

Signifikant höher war die Schlaganfall-Prävalenz im Fall der drei anderen Morphologien, die aufgrund einer stärkeren Verästelung der Aussackung möglicherweise günstigere Bedingungen für eine kardiale Thrombusbildung darstellen.

So war eine "Kaktus"-Morphologie mit einer Schlaganfall-Prävalenz von 12 Prozent assoziiert, bei einer "Blumenkohl"-Struktur betrug sie sogar 18 Prozent.

Sind Ergebnisse relevant für die Praxis?

Sind diese Ergebnisse von praktischer Relevanz? Möglicherweise ja, so die Studienautoren.

Sie denken dabei vor allem an Patienten, bei denen der Risikoscore (etwa CHADS2) ein niedriges oder nur moderat erhöhtes Risiko signalisiert und Unsicherheit über die Notwendigkeit einer Antikoagulation besteht.

In dieser Situation könne die Kenntnis der Vorhofohr-Morphologie und des damit verbundenen Risikos möglicherweise ein hilfreiches Kriterium bei der Entscheidung für oder gegen Antikoagulation ein.

Dabei komme es nur darauf an, eine "Chicken Wing"-Morphologie als Indikator für ein sehr niedriges Risiko korrekt zu erkennen.

Zu wünschen wären natürlich prospektive Studien, die den Zusammenhang zwischen anatomischer Vorhofohr-Struktur und Risiko bei einem breiteren Spektrum von Patienten mit Vorhofflimmern bestätigen. Ob es dazu kommen wird, erscheint aber angesichts der dafür erforderlichen Studiengröße fraglich.

Auch ist wegen der zu erwartenden Kosten kaum vorstellbar, dass bildgebende Verfahren wie Kardio-CT und MRI auf breiter Basis zur Risikostratifizierung bei Vorhofflimmern genutzt werden.

Zu klären wäre, ob es diagnostische Alternativen gibt. Möglicherweise ist ja die transösophageale Echokardiografie (TEE) eine praktikablere Option, um die anatomische Struktur des Vorhofohrs abzuklären.

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