Potenziell tödliche QT-Zeit-Verlängerung

Energydrinks können „Engelsflügel“ verleihen

Energydrinks verleihen nicht nur Flügel. Ein Liter davon sorgt bei gesunden Probanden auch noch Stunden später für eine Verlängerung der QT-Zeit. Die mögliche Folge: potenziell tödliche Arrhythmien.

Von Susanne Kressenstein Veröffentlicht:
Energydrinks können QT-Zeit potenziell tödlich verlängern.

Energydrinks können QT-Zeit potenziell tödlich verlängern.

© Tom Eversley / stock.adobe.com

STOCKTON. Außer einer Blutdrucksteigerung haben US-Forscher der University of the Pacific in Kalifornien nun einen weiteren gefährlichen Effekt von Energydrinks belegt. In einer Studie mit Probanden verlängerte der Konsum das QT-Intervall um mehrere Millisekunden (JAHA 2019; online 4. Juni).

Energydrinks enthalten Taurin, Inosit, Glucuronolacton, Vitamine und jede Mengen Koffein. Kardiovaskuläre Effekte zweier handelsüblicher Produkte haben die Forscher in der randomisierten, Placebo-kontrollierten Cross-over-Studie untersucht.

34 gesunde Probanden (18 bis 40 Jahre alt) tranken dabei in einer Stunde je 946 Milliliter (32 fl.oz.) von einem dieser beiden Drinks oder von einem Placebo-Getränk (Wasser mit Limettensaft und Kirscharoma). Nach einer jeweils sechstägigen Pause („wash-out“) wurde gewechselt, bis jeder Proband jede der drei Varianten getrunken hatte. Die Energydrinks enthielten dabei 304 oder 320 mg Koffein.

Elektrische Aktivität des Herzens gemessen

Außer dem Blutdruck wurde mit einem EKG auch die elektrische Aktivität des Herzens gemessen, und zwar vor und nach Konsum der Getränke sowie über vier Stunden alle 30 Minuten. Primärer Endpunkt war das QT-Intervall, berichtet das Team um Professor Sachin A. Shah.

Ergebnis: Das QT-Intervall war nach Konsum der Energydrinks je nach Produkt 6,0 oder 7,7 Millisekunden länger als nach dem Konsum des Placebo-Getränks. Das QT-Intervall ist bekanntlich die Zeit zwischen Beginn des QRS-Komplexes und dem Ende der T-Welle. In dieses Intervall fällt die De- und Repolarisation der Herzkammern.

Wenn der Zeitraum zu kurz oder zu lang ist, kann das lebensbedrohliche Torsade-de-pointes-Arrhythmien begünstigen.

Parallel zu der QT-Zeit-Verlängerung stiegen nach Energydrink-Konsum der systolische und der diastolische Blutdruck um durchschnittlich 4,0 bis 5,0 mmHg. Koffein ist für diese Effekte vermutlich nicht ursächlich, betonen die Forscher.

Die konsumierten Koffein-Mengen waren nämlich nicht exorbitant hoch – Tagesrationen von bis zu 400 mg gelten als unbedenklich. Die Studienautoren gehen deshalb davon aus, dass ein anderer Inhaltsstoff oder die Kombination von mehreren die Ursache der veränderten QT-Intervalle und des Blutdruckanstiegs sind.

Hoher Konsum bedenklich

Bedenklich finden die Forscher den hohen Konsum an Energydrinks. In den USA trinkt nach Schätzungen jeder dritte US-Teenager im Alter von zwölf bis 17 Jahren regelmäßig solche Getränke. Viel müssen deswegen in Notaufnahmen behandelt werden und vereinzelt gibt es sogar Todesfälle.

Die Forscher geben zu bedenken, dass die Drinks oft in Kombination mit Alkohol oder anderen Drogen oder auch bei gesundheitlichen Störungen konsumiert werden. Bei hohem Blutdruck oder einem Long-QT-Syndrom sollte von Energydrinks abgeraten werden. Seite 2

Lesen Sie dazu auch den Gastkommentar von Professor Stephan Martin: Energydrinks: Bedenkliche Fakten werden ausgeblendet

Weitere Informationen zur Kardiologie unter www.springermedizin.de

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