In der Schlaganfall-Prävention haben Hausärzte die Schlüsselrolle

Auf zwei Dinge kommt es bei der Prävention von Schlaganfällen an: auf eine effektive Senkung des Blutdrucks und in der Sekundärprävention auf eine Hemmung der Plättchen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:

Klare Sache, der Schlaganfall ist eine neurologische Erkrankung. Schlaganfall-Patienten sind aber oft auch Gefäßpatienten und damit Patienten von Internisten. Auch Internisten müssen die Schlaganfall-Prävention deswegen beherrschen. Sie sollten auch über Neuerungen der Akuttherapie informiert sein.

"Gerade bei der Primär- und Sekundärprävention des ischämischen Schlaganfalls haben Internisten viele Schlüssel in der Hand", betont der 2. Vorsitzende der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), Professor Martin Grond vom Kreisklinikum Siegen. So ist die Kontrolle der arteriellen Hypertonie in Sachen Schlaganfall eine der effektivsten Primärpräventions-Strategien, die es überhaupt gibt. "Der präventive Effekt ist dabei umso ausgeprägter, je besser der Blutdruck kontrolliert wird", so Grond aus Anlass des Internistenkongresses in Wiesbaden.

Abschied vom Bedarfshochdruck

Auch in der Sekundärprävention bleibt die Blutdruckeinstelllung unverzichtbar. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass selbst Patienten mit normalem Blutdruck nach einem Schlaganfall oder einer TIA von einer Blutdrucksenkung profitieren. Von dem Konzept des Bedarfshochdrucks, bei dem davon ausgegangen wurde, dass das ischämisch geschädigte Gehirn einen erhöhten Blutdruck brauche, um ausreichend mit Sauerstoff versorgt zu werden, hat sich die Neurologie verabschiedet. "Die Normalisierung des Blutdrucks ist eine zentrale Präventionsstrategie bis ins hohe Alter", so Grond.

Der zweite Pfeiler der medikamentösen Sekundärprävention ist bekanntlich die Hemmung der Blutgerinnung. Hier sind in die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie aus dem Jahr 2008 einige neue Studien eingeflossen, die sich in unterschiedlichen Szenarien mit dem Einsatz von ASS, ASS plus Dipyridamol, Clopidogrel und auch Vitamin K-Antagonisten auseinandergesetzt haben.

"Die vorläufige Quintessenz dieser Studien ist, dass wir für Patienten nach TIA oder ischämischem Schlaganfall bei geringem Rezidivrisiko die tägliche Einnahme von 100 mg ASS empfehlen", so Grond. Als "gering" ist das Rezidivrisiko anzusehen, wenn im für Schlaganfallpatienten validierten Essener Risikoscore die Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis unter vier Prozent pro Jahr liegt.

"Time is brain" - diese griffige Formel gilt weiterhin.

Alle anderen Patienten sollten in der Sekundärprävention entweder 25 mg ASS plus 200 mg retardiertes Dipyridamol oder aber 75 mg Clopidogrel erhalten. "Beide Therapien sind gleich wirksam. Die Auswahl orientiert sich deswegen unter anderem an den Begleiterkrankungen", betont der Experte. Wer eine besondere kardiale Indikation für Clopidogrel hat, bei dem wird diese Therapieoption im Vordergrund stehen. Auch Patienten mit symptomatischer PAVK sind seit der CAPRIE-Studie eher Clopidogrel-Patienten. Bei allen anderen ist ASS plus Dipyridamol eine mindestens so effektive Therapie, sofern ASS vertragen wird. "Die Kombination aus ASS und Clopidogrel ist in der Sekundärprävention bei Schlaganfall jedenfalls keine Option. Sie war in der MATCH-Studie nicht wirksamer als die Monotherapie mit Clopidogrel, führte aber zu vermehrten Blutungskomplikationen."

Akuttherapie muss weiter verbessert werden

Trotz aller Anstrengungen in Sachen Prävention werden sich nicht alle Schlaganfälle vermeiden lassen. Deswegen muss die Akuttherapie weiter verbessert werden. Ein wichtiger Schritt war hier die ECASS 3-Studie. In dieser Placebo-kontrollierten Studie wurde die Effektivität einer Lyse-therapie mit Alteplase bei Patienten untersucht, deren Symptombeginn mehr als drei aber maximal viereinhalb Stunden zurücklag. Bisher galt der Zeitraum von drei Stunden nach Symptombeginn als "Lysefenster", innerhalb dessen eine Lysetherapie beim ischämischen Schlaganfall Nutzen stiftet, ohne die Blutungsgefahr zu stark zu erhöhen.

"Die ECASS 3-Studie hat jetzt gezeigt, dass auch die etwas spätere Lyse sicher ist", so Grond. Die Rate intrakranieller Blutungen war bei einer späteren Lyse bis viereinhalb Stunden nach Symptombeginn nicht höher als bei einer Lyse in den ersten drei Stunden. Und die späte Lyse ist effektiv: 52 Prozent der Patienten hatten nach neunzig Tagen einen guten neurologischen Befund, gegenüber 45 Prozent bei Placebotherapie.

"Mit dem erweiterten Zeitfenster haben wir die Lyseoption jetzt für weitere mehr als zwanzig Prozent aller Schlaganfallpatienten", betont Grond. Allerdings dürften die Ergebnisse von ECASS 3 Ärzte nicht verleiten, sich bei einem Schlaganfall jetzt mehr Zeit zu lassen. "Time is brain", diese griffige Formel gilt weiterhin.

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