Erfolgsformel für neue Arzneien: Ganz viel Zeit

Etwas Glück und ganz viel Geduld führen in der pharmakologischen Forschung zum Ziel.

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BERLIN (gvg). Wie lässt sich die Entwicklung neuer Therapien optimal planen? Die Antwort ist oft ernüchternd: Glück, ein gutes Näschen und Geduld sind oft ausschlaggebend. Gerade in der Schlaganfallforschung sei die Zahl der klinischen Studien groß, in denen Medikamente, die in Tierversuchen vielversprechend waren, spektakulär gescheitert seien, betonte der Neurologe von der Charité Berlin Professor Matthias Endres. Wer sich ansehe, welche Therapieansätze es letztlich in den medizinischen Alltag schafften, müsse konstatieren, dass Glück und ein langer Atem oft wichtiger seien als strategisches Vorgehen. 

Endres machte seine These bei einer Veranstaltung der Charité mit dem Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) an mehreren Beispielen fest. So sei die Beobachtung, dass eine Depolarisationswelle in den Nervenzellen bei bestimmten äußeren Bedingungen nicht, wie sonst, den Blutfluss erhöhe, sondern im Gegenteil zu Ischämien führe, schon vor 20 Jahren gemacht worden, ohne dass das damals unmittelbare Konsequenzen gehabt hätte. Erst vor wenigen Jahren kamen Wissenschaftler dann auf die Idee, diese Anomalie mit der klinischen Beobachtung in Beziehung zu setzen, dass Patienten mit Subarachnoidalblutung zum Teil Tage später aus unklaren Gründen ischämische Infarkte entwickeln. "In einer klinischen Studie konnte dann ein Zusammenhang zwischen Depolarisationswelle und Hirninfarkten bei Patienten mit Subarachnoidalblutung nachgewiesen werden", so Endres. Der nächste Schritt war naheliegend: Ketamin ist ein Medikament, dass Depolarisationswellen hemmt. Und tatsächlich habe eine im vergangenen Jahr publizierte Studie belegt, dass einzelne Patienten mit Subarachnoidalblutung davon profitierten, so Endres.

Glück und einen langen Atem brauchte es auch, bis sich in der Neurologie die Erkenntnis durchsetzte, dass Schlaganfallpatienten von einer prophylaktischen Antibiotika-Therapie profitieren können. Zwar war lange bekannt, dass Patienten mit Schlaganfällen, genauso wie andere schwer kranke Patienten, oft Pneumonien bekommen.

Dass es aber eine weitgehend schlaganfallspezifische Hemmung des Immunsystems gibt, die Schlaganfallpatienten bei Infektionen verletzlicher macht als viele andere Patienten, wurde erst in den letzten Jahren klar. Mittlerweile setzen viele Kliniken Antibiotika routinemäßig beim Schlaganfall ein. Einen Masterplan für die Entwicklung dieses therapeutischen Konzepts hat es nie gegeben.

Als Fazit empfahl Endres seinen forschenden Kollegen in Universität und Industrie, nicht zu sehr in Förderzeiträumen von zwei bis fünf Jahren zu denken. Stattdessen sollten einmal bearbeitete Themen längerfristig im Auge behalten werden, auch wenn erst einmal jahrelang kein unmittelbarer Nutzen erkennbar ist.

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