Schwierige Patienten

Cholerisch nach Insult? Wer die Wut mindert, stärkt die Therapie

Jeder sechste Schlaganfallpatient reagiert nach dem Insult ungewohnt aufbrausend – solche Patienten lassen häufig ihre Medikamente weg und scheren sich auch sonst wenig um die Sekundärprävention.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Cholerischer Anfall: Nach Insult treten nicht nur Depressionen, sondern auch Wutausbrüche häufig auf.

Cholerischer Anfall: Nach Insult treten nicht nur Depressionen, sondern auch Wutausbrüche häufig auf.

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LISSABON. Cholerische Patienten gelten als schwierig und unbequem. Nicht nur bereitet die Kommunikation mit ihnen Probleme, sie tendieren auch dazu, den Rat des Arztes in den Wind zu schlagen und ihre Medikamente nicht regelmäßig einzunehmen. Dies kann natürlich gravierende Folgen haben. Gerade nach einem überstandenen Schlaganfall sollten sie ihren Lebensstil ändern: mit dem Rauchen aufhören, sich gesünder ernähren und mehr bewegen, sofern dies noch möglich ist. Zudem benötigen sie Medikamente, die erneute kardiovaskuläre Ereignisse verhindern. Nehmen sie diese nicht richtig ein, dürfte die Prognose eher ungünstig sein.

Depressionen sind häufig

Da nach einem Schlaganfall häufig neuropsychiatrische Beschwerden beobachtet werden – bedingt sowohl durch die Hirnschädigung als auch die damit verbundenen Einschränkungen –, könnten diese Beschwerden folglich die Adhärenz zusätzlich beeinträchtigen und wiederholte Insulte begünstigen. Für die häufig nach einem Schlaganfall auftretenden Depressionen scheint der Zusammenhang recht klar zu sein.

Forscher um Dr. Catarina Santos vom Hospital de Santa Maria in Lissabon haben nun geschaut, ob dies auch für vermehrte Wutausbrüche oder eine cholerische Persönlichkeit zutrifft (J Neurol 2017; online 2. August). Die Ärzte haben 114 Patienten nach einem überstandenen ischämischen oder hämorrhagischen Insult psychologisch untersucht. Bei allen bestanden keine größeren kognitiven Einschränkungen oder Sprachprobleme. Die erste Untersuchung fand wenige Tage nach dem Ereignis statt, die zweite Untersuchung ein Jahr danach. Das Team um Santos benutzte primär das "State-Trait-Ärgerausdrucks-Inventar-2 (STAXI-2)", einen speziellen Fragebogen, um die Häufigkeit von Ärger und Wut festzustellen. Außerdem erkundigte es sich bei den Teilnehmern nach ihrer Zufriedenheit mit der Schlaganfallversorgung sowie der Adhärenz. Darunter wurde nicht nur die medikamentöse Therapietreue verstanden, sondern auch die Umsetzung von Lebensstiländerungen.

Zwei Drittel zufrieden mit Versorgung

In den ersten Tagen nach dem Schlaganfall stellten die Ärzte bei 18 Prozent erhöhte Werte im STAXI-2 fest. Als Grundlage für die Bewertung galten Normwerte für die portugiesische Bevölkerung. Ein Jahr danach konnten sie noch 91 Patienten befragen. Zu diesem Zeitpunkt waren 17 Prozent übermäßig verärgert – dieser Anteil hatte sich also nicht merklich verändert.

Eine cholerische Persönlichkeit stellten sie jedoch nur noch bei sieben der Patienten (8 Prozent) fest, zu Beginn waren es noch 20 Prozent gewesen. Nach einem Jahr waren vor allem Patienten mit cholerischem Charakter und deutlichen Ängsten noch übermäßig verärgert, aber auch solche mit Schlaganfällen im hinteren Stromgebiet und Betroffene, die unter den Folgen des Insults besonders litten.

Insgesamt erwies sich das Ärgerpotenzial nach einem Jahr als etwas geringer als direkt nach dem Insult: Nicht nur sank der Cholerikeranteil, auch die selbst genannte Häufigkeit von Wutausbrüchen hatte sich offensichtlich reduziert und negative Gedanken über die eigene Situation wurden seltener geäußert. Immerhin zwei Drittel waren mit der medizinischen Versorgung nach dem Insult zufrieden. Bei der Adhärenz nach einem Jahr schnitten sowohl die Patienten mit aktuellem Groll als auch mit cholerischem Charakter signifikant schlechter ab als solche ohne auffällige Werte. Dies betraf sowohl die Therapietreue bei der Medikation als auch andere Bereiche wie Rauchverzicht und Ernährung oder Bewegung.

Gelinge es Ärzten, die Gründe für die Wut auszuräumen, "könnte dies die negativen Auswirkungen bei der Adhärenz, der Rehabilitation und der Prävention minimieren", schreiben die Ärzte um Santos.

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