Kardiologie

Nach Schlaganfall besteht ein hohes Risiko für Herzinsuffizienz

Nach einem Schlaganfall haben Betroffene ein erhöhtes Risiko, binnen weniger Monate eine chronische Herzschwäche zu entwickeln. Das haben jetzt Forscher der Universitäten Würzburg und Duisburg-Essen in einer Studie gezeigt.

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Schlaganfall: Die Folge ist auch eine chronische Überaktivierung des Sympathikus.

Schlaganfall: Die Folge ist auch eine chronische Überaktivierung des Sympathikus.

© psdesign1 / stock.adobe.com

ESSEN / WÜRZBURG. Herzinsuffizienz-Patienten haben besonders häufig Schlaganfälle. Oft tritt aber auch der umgekehrte Krankheitsverlauf auf: Nach einem Schlaganfall kann sich über Monate hinweg eine Herzschwäche entwickeln, wie Wissenschaftler der Universitätskliniken Essen und Würzburg jetzt erstmals experimentell zeigen konnten (Annals of Neurology 2017; online 10. Oktober). Die Entdeckung hat einen potenziellen Einfluss auf die Behandlung von Schlaganfallpatienten, berichtet die Universität Duisburg-Essen (UDE) in einer Mitteilung. "Beim Schlaganfall darf nicht allein die Hirnfunktion betrachtet werden, auch eine langfristige Herzdiagnostik muss ins Auge gefasst werden", wird Professor Christoph Kleinschnitz von der Klinik für Neurologie der Medizinischen Fakultät der UDE am Universitätsklinikum Essen in der Mitteilung zitiert.

Mechanismus bisher unbekannt

Hinweise, dass sich eine Herzinsuffizienz durch Störung des autonomen Nervensystems entwickeln kann, gab es bereits. Der genaue Mechanismus dahinter war jedoch unbekannt. Bisherige Studien an Schlaganfallpatienten zeigten lediglich, dass es bis zu mehrere Wochen nach einem Schlaganfall zu Herzrhythmusstörungen, dem Absterben von Herzmuskelzellen und zu funktionellen Störungen des Herzens kommen kann. Zudem kommt es in den ersten drei Monate nach Schlaganfall bei 19 Prozent aller Patienten zu einem schweren kardialen Zwischenfall: einem Herzinfarkt oder einem plötzlichen Herztod. Aber bisher war kaum etwas über die Langzeitkonsequenzen eines Schlaganfalls auf die Entwicklung einer chronischen Herzschwäche bekannt.

Durch die enge Zusammenarbeit von Neurologen, Kardiologen und klinischen Epidemiologen der Universitätskliniken und des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz (DZHI) konnten in dem Projekt "SICFAIL" nun die Bedeutung von Schlaganfall-induziertem Herzversagen beobachtet, bewertet und auch neue Behandlungsstrategien entwickelt werden. SICFAIL besteht aus einem experimentellen und einem klinischen Teil, der noch nicht beendet ist.

Pharmakologische Intervention

"Die Grundhypothese lautet, dass durch einen Ischämischen Schlaganfall, eine chronische Herzinsuffizienz induziert wird und dass diese einer pharmakologischen Intervention grundsätzlich zugänglich ist", erklärt Dr. Michael Bieber vom Universitätsklinikum Würzburg in der Mitteilung.

Ein wichtiger Meilenstein dafür war der Nachweis, dass sich nach einem experimentellen Schlaganfall tatsächlich eine Funktionsstörung des Herzens ausbildet. So war die Pumpfunktion acht Wochen nach Schlaganfallinduktion signifikant reduziert. Dieser neurokardiale Schaden wird durch eine chronische Überaktivierung des Sympathikus, ausgelöst. Dieses Problem führt zudem zu einer vermehrten Kollagenbildung direkt am Herzen.

Die Wissenschaftler testeten eine pharmakologische Strategie zur Verhinderung der Herzinsuffizienz nach Schlaganfall. Dabei wurde, wie man es auch bei Herzinsuffizienz-Patienten macht, der Betablocker Metoprolol verabreicht. Dies senkte die sympathische Aktivierung, verbesserte die Herzfunktion signifikant und die morphologischen Veränderungen am Herzen blieben aus.

"Sollten sich die experimentellen Ergebnisse in dem klinischen Teil der SICFAIL-Studie bestätigen lassen, könnte diese medikamentöse Therapie mit einem Betablocker auch ein sinnvoller Ansatz bei Patienten nach einem Schlaganfall sein", erläutert Professor Stefan Frantz, Kardiologe und Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik I am Universitätsklinikum Würzburg, in der Mitteilung. Die Ergebnisse der ersten Analysen werden Anfang nächsten Jahres erwartet. (eb/eis)

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