Hintergrund

Der Patient als Gerinnungsmanager

Welches Konzept funktioniert am besten bei der Gerinnungskontrolle? Eine neue Studie zeigt jetzt: Übernimmt der Patient verantwortlich das Gerinnungsmanagement, halbiert sich sein Thromboembolie-Risiko.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Bloß nicht gerinseln: Der verantwortliche Patient funktioniert.

Bloß nicht gerinseln: Der verantwortliche Patient funktioniert.

© Dario Bajurin / fotolia.com

Millionen Menschen sind weltweit wegen Vorhofflimmern oder nach Herzklappenersatz auf eine Langzeitantikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten angewiesen.

Die Blutgerinnung muss bei ihnen anhand der INR-Werte engmaschig kontrolliert und die gerinnungshemmende Therapie dementsprechend individuell angepasst werden.

Bei vielen Patienten ist die Bereitschaft oder Eignung zur Selbstmessung der Gerinnungswerte nicht vorhanden. Jedoch gibt es insbesondere in Deutschland relativ viele Menschen, die nach entsprechender Schulung und Prüfung das Gerinnungsmonitoring oder -management - letzteres umfasst die Messung wie auch die Therapieadjustierung - selbst übernommen haben.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Die Patienten werden unabhängig vom Zwang zum häufigen Praxisbesuch und gewinnen Freiheit etwa auf Reisen.

Vorteil bereits 2006 gezeigt

Vor allem aber verbessert sich die Qualität der Gerinnungseinstellung, wie unter anderen eine 2006 von der "Self-Monitoring Trialist Collaboration" unter Leitung von Dr. Carl Heneghan aus Oxford durchgeführte Metaanalyse von 14 randomisierten Studien belegt hat.

Danach war das Gerinnungsselbstmanagement mit einer signifikanten Reduktion von Thromboembolien wie auch Todesfällen assoziiert. Bei den Blutungskomplikationen gab es keinen relevanten Unterschied.

Eine von der Arbeitsgruppe um Dr. Hanna Bloomfield im Juli 2011 publizierte Studienübersicht bestätigte die Reduktion von Thromboembolien (um 42 Prozent) und Mortalität (um 26 Prozent).

Fünf Jahre später haben Heneghan und seine Kollegen jetzt eine neue Metaanalyse veröffentlicht (Lancet 2011; online). Sie hat nach Ansicht der Autoren weniger methodische Limitierungen als die vorangegangene Analyse.

Denn diesmal standen den Forschern nach Kontaktierung der jeweiligen Studienleiter nicht nur zusammengefasste (aggregierte) Daten zur Verfügung, sondern die individuellen Patientendaten aus 11 klinischen Studien mit insgesamt 6417 Teilnehmern.

Erneut klar überlegen

Das schafft die Möglichkeit für eine noch detaillierte Analyse etwa von Subgruppen oder der Zeitdauer bis zum Auftreten von Ereignissen.

Erneut erwies sich das Selbstmonitoring im Vergleich zur üblichen Handhabung des Gerinnungsmonitorings als klar überlegene Strategie, die das relative Risiko der Patienten für thromboembolische Ereignisse signifikant um 49 Prozent reduzierte.

Am stärksten war die Reduktion bei relativ jungen Patienten im Alter unter 55 Jahren, die von einer signifikanten Abnahme thromboembolischer Komplikationen um 67 Prozent profitierten.

Häufigste Indikation für die Antikoagulation in dieser Subgruppe ist die Implantation einer mechanischen Herzklappe. Bei den im Schnitt älteren Patienten mit Vorhofflimmern war der Unterschied nicht signifikant.

"Eine sichere Option"

Abweichend von ihrer vorangegangenen Metaanalyse, bei der eine signifikante Reduktion der Mortalität um 33 Prozent festgestellt wurde, ergab die neue Auswertung der Arbeitsgruppe Heneghans keinen eindeutigen Überlebensvorteil durch Selbstmonitoring: Zwar ging der Trend in die richtige Richtung - die Mortalität war relativ um 18 Prozent niedriger -, allerdings erwies sich der Unterschied als statistisch nicht signifikant.

Nach Berechnungen der Autoren hätte es für den zuverlässigen Nachweis eines signifikanten Unterschieds einer weitaus höheren Zahl von Patienten bedurft.

Der Verlust der Signifikanz sei möglicherweise darauf zurückzuführen sein, dass Patientendaten aus weiteren zehn Studien, zu denen es keinen direkten Zugang gab, nicht verfügbar waren.

Das Fazit der Autoren: Selbstmonitoring und -management der Gerinnungseinstellung bei Antikoagulation "ist eine sichere Option für geeignete Patienten jeden Alters". Patienten sollte die Option zum Selbstmanagement ihrer gerinnungshemmenden Behandlung mit entsprechender professioneller Unterstützung angeboten werden.

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