D-Dimer-Test

Grenzwert auf Alter abstimmen

Die Devise "Einer für alle" war gestern: Bei älteren Menschen ist der D-Dimer-Test zum Ausschluss einer venösen Thrombose offenbar deutlich spezifischer, wenn der Grenzwert nicht pauschal berechnet wird.

Von Dr. Dagmar Kraus Veröffentlicht:
21,5 Prozent beträgt die mediane Prävalenz einer venösen Thromboembolie bei den 71- bis 80-Jährigen.

21,5 Prozent beträgt die mediane Prävalenz einer venösen Thromboembolie bei den 71- bis 80-Jährigen.

© Stephen Gschmeissner / imagesource.com

UTRECHT / NIEDERLANDE. Die diagnostische Aussagekraft des D-Dimer-Tests sinkt mit zunehmendem Alter des Patienten, da mit steigenden Lebensjahren physiologischerweise mehr Fibrinspaltprodukte im Blut schwimmen.

Doch lässt sich die Spezifität tatsächlich verbessern, wenn anstatt der fixen Obergrenze von 500 Mikrogramm pro Liter ein altersangepasster Grenzwert zugrunde gelegt wird? Und wie steht es dann um die Sensitivität?

Besteht der Verdacht auf eine venöse Thrombose und Geneva- oder Wells-Score sprechen aber nicht für eine hohe klinische Wahrscheinlichkeit, hilft der D-Dimer-Test weiter.

Werte über 500 Mikrogramm pro Liter erhärten den Verdacht und machen eine weiterführende bildgebende Diagnostik notwendig.

Bei Älteren Verlust an Aussagekraft

Bei Patienten unter 50 Jahren ist mit diesem Grenzwert der Test recht treffsicher, bei älteren verliert er jedoch an Aussagekraft. Angesichts dieser Problematik raten einige Experten davon ab, D-Dimere bei betagten Patienten zu bestimmen, andere wiederum kamen auf die Idee, die Grenzwerte dem Alter anzupassen und eine individuelle Obergrenze zu errechnen.

"Alter in Jahren x 10 Mikrogramm pro Liter" lautet die Formel für den individuellen Cut-off, der die diagnostische Sicherheit des D-Dimer-Tests für über 50-Jährige erhöhen soll (BMJ 2013;346:f2492).

Systematischer Review vorgelegt

Für einen altersangepassten Grenzwert sprachen sich kürzlich auch Henrike J. Schouten von der Universitätsklinik in Utrecht und ihre Kollegen aus. In ihrem systematischen Review verbesserte sich bei Patienten ab 50 Jahren ohne hohe klinische Wahrscheinlichkeit die Spezifität des Tests, wenn die Messwerte anhand altersentsprechender Obergrenzen beurteilt worden waren.

Bei den über 80-Jährigen lag sie bei individuell errechnetem Cut-off doppelt so hoch wie bei fixem Grenzwert (35,2 Prozent versus 14,7 Prozent).

Auch bei den 71- bis 80-Jährigen, den 61- bis 71-Jährigen sowie den 51- bis 60-jährigen Teilnehmern sank die Rate der falsch-positiven Ergebnisse: Der Test erreichte eine Spezifität von 44,2 Prozent, 49,5 Prozent bzw. 62,3 Prozent im Vergleich zu 24,5 Prozent, 39,4 Prozent und 57,6 Prozent bei fixer Obergrenze.

Bei drei von 1000 falsch negativ

Die Sensitivität verringerte sich bei diesem Vorgehen nicht. Bei Verwendung des altersadjustierten D-Dimer-Cut-offs fiel bei etwa drei von 1000 Patienten der Test falsch negativ aus, was in etwa der Falsch-negativ-Rate der jüngsten Patientengruppe (unter einem Alter von 50 Jahren) mit standardisierter Obergrenze entspricht.

Die Ergebnisse basieren auf fünf Studien, in denen retrospektiv insgesamt 12.630 Patienten mit Verdacht auf eine venöse Thromboembolie ohne hohe klinische Wahrscheinlichkeit untersucht worden waren.

Als nicht hohe klinische Wahrscheinlichkeit war bei Lungenembolieverdacht ein Geneva-Score-Punktwert von maximal 10 oder ein Wells-Score-Punktwert von maximal 4 definiert worden, bei Verdacht auf eine tiefe Beinvenenthrombose lag die Wells-Score-Obergrenze bei 2 oder 1.

Die mediane Prävalenz einer venösen Thromboembolie stieg mit dem Alter von 12,3 Prozent bei den Teilnehmern, die noch keine 50 Jahre alt waren, auf 21,5 Prozent bei den 71- bis 80-Jährigen.

Ziel: Unnötige Bildgebung ersparen

Nach Meinung von Schouten vom Julius Center for Health Sciences and Primary Care ließe sich die Aussagekraft des D-Dimer-Tests bei älteren Patienten einfach steigern, indem anstelle des konventionellen ein altersadjustierter Grenzwert für die Beurteilung zugrunde gelegt wird.

Etwa 30 Prozent bis 54 Prozent der älteren Patienten könnte damit eine unnötige bildgebende Diagnostik erspart werden, sind sich die Autoren sicher. Ehe der altersadjustierte Grenzwert jedoch Eingang in die Praxis finden könne, müsse er erst in prospektiven Studien überprüft werden.

Außerdem warnen Schouten und ihre Kollegen davor, diese Ergebnisse auf Patienten mit höheren Geneva- oder Wells-Scores zu übertragen. Denn bei diesen Patienten ist grundsätzlich eine Bildgebung indiziert, unabhängig von der gemessenen D-Dimer-Konzentration.

Der Wells-Score mit seinen sieben Kriterien eignet sich, die Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolie abzuschätzen: 1. Klinische Zeichen und Symptome einer tiefen Venenthrombose (3 Punkte). 2. Lungenembolie als wahrscheinlichste Diagnose (3 Punkte). 3. Herzfrequenz über 100 pro Minute (1,5 Punkte). 4. Immobilisation für mehr als drei Tage oder operativer Eingriff in den vorangegangenen vier Wochen (1,5 Punkte). 5. Lungenembolie oder tiefe Venenthrombose in der Anamnese (1,5 Punkte). 6. Hämoptyse (1 Punkt). 7. Malignom (aktuell oder in den vergangenen sechs Monaten therapiert, palliativ (1 Punkt).

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