Nach venöser Thrombose

Gerinnungshemmer absetzen - ja oder nein?

Nach wie vor herrscht keine Klarheit darüber, ob sich eine langfristige Antikoagulation nach spontaner venöser Thrombose lohnt. Jetzt wurde geprüft, ob D-Dimer-Tests die Entscheidung erleichtern können.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Blutgerinnsel – nicht immer ist das therapeutische Prozedere klar vorgegeben.

Blutgerinnsel – nicht immer ist das therapeutische Prozedere klar vorgegeben.

© Sebastian Kaulitzki / fotolia.com

HAMILTON. Bei Patienten, die nach einer venösen Thrombose (VTE) unbekannter Ursache eine Antikoagulation bekommen, rechtfertigen niedrige Werte im D-Dimer-Test meist nicht, diese Therapie zu beenden.

Das folgern Forscher um Dr. Clive Kearon vom Juravinski Hospital in Hamilton, Ontario aufgrund der Ergebnisse einer prospektiven Studie.

Die Forscher haben Daten von 410 Patienten aus 13 Zentren der Tertiärversorgung mit VTE unklarer Ursache und fortlaufender Therapie mit dem Vitamin-K-Antagonisten Warfarin analysiert.

Während der durchschnittlich fünfmonatigen Therapie (Ziel-INR 2,0-3,0) war bei allen Patienten ein D-Dimer-Test gemacht worden.

Bei positivem Ergebnis wurde weiter und ohne weiteren Test antikoaguliert, bei negativem Ergebnis wurde der Gerinnungshemmer nach Erreichen des Therapieziels zunächst abgesetzt.

Dann entschied man weiter: Fiel ein zweiter D-Dimer-Test einen Monat später positiv aus, wurde die Antikoagulation wieder aufgenommen.

Bei negativem Ergebnis zu diesem Zeitpunkt wurde die Therapie auf unbestimmte Zeit abgesetzt (Ann Intern Med. 2015; 162: 27-34).

Unterschiede bei Männern und Frauen

Nach durchschnittlich 2,2 Jahren wurde ausgewertet:Vier Prozent der Studienteilnehmer hatten bereits im ersten Test ein positives Ergebnis. Bei ihnen wurde die Antikoagulation fortgesetzt.Bei 396 Patienten war der erste D-Dimer-Test negativ ausgefallen.

Daraufhin hatten man bei 392 Patienten zunächst auf den Gerinnungshemmer verzichtet. Von diesen wurde bei zweien noch vor dem zweiten Test eine VTE diagnostiziert, bei weiteren zwei am Tag der erneuten Testung.

Insgesamt hatten 319 Studienteilnehmer (78 Prozent) zwei negative D-Dimer-Tests gehabt und die Warfarin-Therapie nicht fortgesetzt. In dieser Gruppe entwickelten sich im Lauf der Nachbeobachtung (insgesamt 628 Patientenjahre) 42 VTE-Rezidive; dies entspricht einer Rezidivrate von 6,7 Prozent pro Patientenjahr.

Überraschend waren vor allem die Befunde aus den Subgruppenanalysen. Die Forscher hatten Männer und Frauen getrennt betrachtet und bei den Frauen noch einmal unterschieden zwischen Patientinnen, die vor dem ersten VTE-Ereignis eine Östrogentherapie erhalten hatten und solchen, bei denen das nicht der Fall gewesen war.

Bei Männern lag die Rate der jährlichen Rezidive bei 9,7 Prozent, bei Frauen ohne Östrogentherapie vor dem ersten VTE-Ereignis bei 5,4 Prozent. Dagegen kam es bei Frauen mit vorangegangener Östrogentherapie, die dann diese Behandlung gestoppt hatten, in keinem einzigen Fall zu einem VTE-Rezidiv.

Die Blutungsrate bei den Patienten, die die Antikoagulanzientherapie fortgesetzt hatten, lag bei jährlich 2,3 Prozent.Kearon und seine Kollegen hatten mit diesen Ergebnissen nicht gerechnet.

Grundsätzlich sei ein höheres Risiko bei Männern nicht überraschend, so die Forscher, aber angesichts der zweifach negativen D-Dimer-Ergebnisse (dies traf für immerhin 180 Männer zu) sei man eigentlich von einem deutlich geringeren VTE-Risiko im Follow-up ausgegangen.

Sorgfältige Risikoaufklärung nötig

Den Autoren zufolge erlauben die Studienergebnisse nur für eine Patientengruppe eine eindeutige Empfehlung: Frauen, die unter Östrogenen eine VTE entwickelt haben, daraufhin die Hormone abgesetzt und sich einer dreimonatigen Therapie mit Antikoagulanzien unterzogen haben, können diese offenbar auch ohne D-Dimer-Test absetzen, ohne ein Rezidiv befürchten zu müssen. Hier geht man davon aus, dass die Hormontherapie die VTE ausgelöst hat.

Vor allem bei Männern scheint auch ein zweifach negativer D-Dimer-Test nicht das Absetzen der Antikoagulation zu rechtfertigen.

Wem sollte man den Test nun überhaupt noch empfehlen? Kearon und sein Team raten zu folgendem Vorgehen: Ein einzelner Test nach dreimonatiger Antikoagulation sollte angeboten werden, wenn der Patient bereit ist, im Fall eines positiven Ergebnisses die Therapie fortzusetzen, aber bei negativem Test den Gerinnungshemmer lieber absetzen würde.

Hierzu bedarf es einer sorgfältigen Risikoaufklärung. Bei negativem Ergebnis, so die Autoren, liege für Männer die Rezidivrate bei acht Prozent, bei positivem Ergebnis bei 16 Prozent jährlich.

Frauen müssten entsprechend mit Rezidivraten von fünf beziehungsweise zehn Prozent jährlich rechnen.

Die Lage ändert sich bei älteren Patienten: Ab 75 Jahren, so die Forscher, sollte man die Antikoagulation bei unbekanntem Risiko grundsätzlich nach drei Monaten stoppen.

Der Grund: Der D-Dimer-Wert steigt mit dem Alter; spätestens ab 75 kann man sich auf ihn also grundsätzlich nicht mehr verlassen.

Gegenwärtig wird empfohlen, nach venöser Thrombose (VTE) die Antikoagulation auf unbestimmte Zeit fortzusetzen, wenn das Ereignis durch eine chronische Krankheit ausgelöst wurde. Ist ein zeitlich begrenzter Auslöser bekannt, kann das Antikoagulans nach Erreichen des Therapieziels abgesetzt werden. Über das Vorgehen bei unbekannter VTE-Ursache herrscht bisher keine Klarheit.

Mehr zum Thema

Möglicher Risikofaktor

Bei akuter Entzündung mehr Stentthrombosen nach PCI

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Kommunikation und Datenschutz

Neue Perspektiven für IT in der Praxis

Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“