Otitis media

Keine verkürzte Antibiotikatherapie!

Bei Kindern unter zwei Jahren sollte eine Entzündung des Mittelohrs ausreichend lang, sprich über zehn Tage, antibiotisch behandelt werden. Ein verkürztes Regime führte in einer Studie zu deutlich schlechteren Heilungsraten.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Otitis media beim Kleinkind: US-Ärzte plädieren für eine 10-tägige Antibiotikatherapie.

Otitis media beim Kleinkind: US-Ärzte plädieren für eine 10-tägige Antibiotikatherapie.

© Wollwerth Imagery / fotolia.com

PITTSBURGH. Gleich mehrere Gründe sprechen einem US-Ärzteteam zufolge gegen die Abkürzung einer antibiotischen Therapie bei Babys mit Otitis media.

In der randomisierten, placebokontrollierten Studie schlug die fünftägige Behandlung deutlich schlechter an als das Standardregime über zehn Tage, und die Kinder benötigten letztlich mehr Antibiotika pro Erkältungssaison.

Dabei traten bei längerer Behandlungsdauer nicht mehr Nebenwirkungen in Form von Diarrhöen oder Windelsoor auf als unter dem verkürzten Regime. Die Resistenzraten hielten sich in den beiden Gruppen überraschenderweise die Waage.

Daten von 520 Patienten

Die Forscher um Dr. Alejandro Hoberman von der Universität Pittsburgh hatten insgesamt 520 Patienten im Alter zwischen sechs und 23 Monaten für die Intention-to-treat-Analyse ausgewählt (N Engl J Med 2016; 375: 2446–56).

Die Otitis-media-Diagnose beruhte auf dem Vorliegen dreier Kriterien: einer Symptomstärke von mindestens 3 von maximal 14 Punkten auf der AOM-SOS-(Acute Otitis Media-Severity of Symptoms)-Skala, Flüssigkeit im Mittelohr und leichte bis mittelgradige Vorwölbung des Trommelfells begleitet von deutlicher Rötung oder Ohrenschmerzen.

Die Kinder wurden per Losverfahren entweder dem Standardregime (zehn Tage Amoxicillin-Clavulansäure) oder der verkürzten Therapie (Einnahme ebendieses Antibiotikums über fünf Tage gefolgt von fünf Tagen unter einem gleich aussehenden, gleich riechenden und gleich schmeckenden Placebo) zugeteilt.

In der Behandlungsphase wurden von den Eltern täglich die AOM-SOS-Scores ihres Kindes ermittelt. Am 12. bis 14. Tag nach Therapiebeginn folgte dann eine Praxisvisite beim Arzt.

Erneute Visiten fanden über die gesamte Erkältungssaison (1. Oktober bis 31. Mai) hinweg alle sechs Wochen sowie noch einmal abschließend im darauffolgenden September statt.

Therapieversagen bei verkürzter Therapie doppelt so hoch

Der primäre Endpunkt der Studie, das klinische Therapieversagen, trat bei 34 Prozent der Kinder in der Fünf-Tage-Gruppe ein, dagegen nur bei 16 Prozent der Standardgruppe. Als Versagen hatte man eine Symptomverschlechterung, eine Verschlechterung des otoskopischen Befunds oder die ausbleibende Heilung definiert.

Bei einem absoluten Unterschied von 17 Prozentpunkten (basierend auf nicht gerundeten Werten) und einem 95%-Konfidenzintervall (KI) zwischen 9 und 25 war das Kriterium für Nicht-Unterlegenheit der Kurzzeittherapie nicht erfüllt; laut Hoberman und Kollegen wäre hierfür eine KI-Obergrenze von 10 Prozentpunkten erforderlich gewesen.

Wie die Forscher betonen, traten außerdem nur in der Kurzzeitgruppe AOM-SOS-Werte > 8 auf.

Die Ergebnisse der Per-Protokoll-Analyse fielen im Hinblick auf den primären Endpunkt ähnlich aus.

Die mittlere Symptomstärke lag in der Kurzzeitgruppe bei 1,61 an Tag 6 bis 14 und bei 1,89 an Tag 12 bis 14. In der Gruppe mit Standardtherapie betrugen die entsprechenden Werte 1,34 beziehungsweise 1,20. Signifikant war dabei nur die Differenz im Zeitabschnitt zwischen Tag 12 und 14.

Den Wissenschaftlern zufolge befanden sich in der Fünf-Tage-Gruppe zudem deutlich weniger Kinder, bei denen die Symptomstärke im Therapieverlauf um mehr als 50 Prozent abgenommen hatte (80 versus 91 Prozent; p = 0,003).

Keine signifikanten Unterschiede fand man dagegen bei den Hauptnebenwirkungen der Antibiotikatherapie: 29 Prozent (verkürzte Therapie) bzw. 30 Prozent (Standardtherapie) hatten Durchfall entwickelt, unter Windelsoor litten 34 bzw. 33 Prozent.

Rezidive gleich häufig

Die Zahl der penicillinempfindlichen Streptococcus-pneumoniae-Stämme im Nasenabstrich war in beiden Gruppen deutlich zurückgegangen; hierbei handelt es sich laut Hoberman und Kollegen um einen der Haupterreger der Otitis media.

Bei denjenigen Kindern, bei denen man im Laufe der Indexepisode und nach Therapieende noch einmal mindestens einen Nasenabstrich genommen hatte, betrug der Anteil mit resistenten Erregern 44 Prozent in der Gruppe mit fünftägiger Antibiotikatherapie und 47 Prozent bei den über zehn Tage behandelten Kindern (p = 0,58).

Rezidive ereigneten sich in beiden Gruppen in etwa gleich häufig; dabei waren jeweils vor allem die Kinder betroffen, die zu Therapieende noch Reste von Flüssigkeit im Mittelohr aufwiesen, unabhängig davon, ob man die Therapie als erfolgreich oder erfolglos eingestuft hatte.

Letztlich, so Hoberman und sein Team, seien die Unterschiede groß genug, um zu zeigen, dass das Standardregime der verkürzten Therapie an Wirksamkeit überlegen sei. Die Ergebnisse würden jedoch nur für die untersuchte Altersgruppe unter zwei Jahren gelten und ließen sich nicht auf ältere Kinder übertragen.

Studienergebnisse zu Antibiose

Ein klinisches Therapieversagen trat bei 34 Prozent der Kinder in der Fünf-Tage-Gruppe ein und bei 16 Prozent der Standardgruppe.

In der Fünf-Tage-Gruppe befanden sich weniger Kinder, bei denen die Symptomstärke im Therapieverlauf um mehr als 50 Prozent abgenommen hatte.

Keine signifikanten Unterschiede fand man bei den Hauptnebenwirkungen der Antibiotikatherapie Durchfall und Windelsoor.

Rezidive ereigneten sich in beiden Gruppen in etwa gleich häufig.

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