Spezial-Cocktail bringt Op-Gewebe zum Leuchten

MANNHEIM (gwa). Nebenschilddrüsen, die etwa bei Patienten mit Hyperparathyreoidismus entfernt werden sollen, sind bei der Operation einfacher zu finden, wenn sie leuchten. Das kann man erreichen, wenn Patienten vor dem Eingriff 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) trinken. Unter blauviolettem Licht fluoreszieren die Nebenschilddrüsen dann rötlich. Dieses Verfahren, das vor allem bei minimal-invasiven Operationen von Vorteil ist, wird jetzt erstmals weltweit in der Uniklinik Mannheim in einer Studie angewandt. Es können noch Patienten angemeldet werden.

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5-ALA, eine Vorstufe des Erythrozytenfarbstoffes Häm, wird bereits seit einiger Zeit genutzt, um etwa Tumoren sichtbar zu machen. 5-ALA wird nämlich in Mitochondrien zu Protoporphyrin IX umgewandelt - und das fluoresziert. Genutzt wird dieser Effekt etwa bei Blasenkarzinomen; dazu wird 5-ALA per Katheter in die Harnblase gespritzt.

Auch Neurochirurgen nutzen 5-ALA: Trinken Gliom-Patienten vor einer Op ein Getränk mit der Aminosäure, leuchtet das Tumorgewebe unter blauviolettem Licht rötlich. So können eventuell verbliebene Gliomreste intraoperativ identifiziert und reseziert werden (wir berichteten).

Daß auch Nebenschilddrüsen mit dieser Methode sichtbar werden, entdeckten Dr. Rüdiger Proßt, Professor Stefan Post und Privatdozent Frank Willeke von der Chirurgischen Klinik der Universität Mannheim eher zufällig: "Bei Ratten, die 5-ALA erhalten hatten, um Tumoren zu identifizieren, entdeckten wir auch ein Leuchten im Halsbereich - das waren die Nebenschilddrüsen", sagte Proßt zur "Ärzte Zeitung".

Inzwischen wissen die Kollegen, daß man auch bei Menschen die Nebenschilddrüsen so identifizieren kann. Proßt ist vor wenigen Tagen bei einem Chirurgenkongreß in Würzburg für die Entwicklung der Methode ausgezeichnet worden.

Zwei bis vier Stunden vor der Operation bekommen die Patienten 5-ALA in der Dosierung von 30 mg pro Kilogramm Körpergewicht in Wasser gelöst zu trinken. Dann kann man intraoperativ die Nebenschilddrüsen unter Speziallicht identifizieren. Aber warum fluoreszieren nur die Nebenschilddrüsen und nicht das umliegende Gewebe?

Proßt: "Die Hypothese ist, daß in den vergrößerten Nebenschilddrüsen die Mitochondrien-Aktivität verstärkt ist." Dadurch wird mehr 5-ALA aufgenommen und in Protoporphyrin IX umgewandelt als etwa im umgebenden Schilddrüsen-Gewebe.

Vor allem bei minimal-invasiven Eingriffen ist es von Vorteil, die an den oberen und unteren Polen der Schilddrüse meist hinten gelegenen Nebenschilddrüsen eindeutig identifizieren zu können. Denn anders als bei offenen Operationen, bei denen die Schnitte größer sind, ist bei der Schlüsselloch-Technik immer nur ein Teil des Operationsfeldes sichtbar. Das kann das Auffinden der kleinen Drüsen erschweren.

Die wichtigste Indikation zur Nebenschilddrüsen-Entfernung ist der primäre Hyperparathyreoidismus (pHPT). pHPT ist nach Diabetes und Funktionsstörungen der Schilddrüse die dritthäufigste endokrine Erkrankung. Die Inzidenz wird mit etwa 30 pro 100 000 Einwohnern in Deutschland angegeben; die Prävalenz beträgt bis 0,5 Prozent. Meist wird pHPT durch eine Routinebestimmung des Serumkalziumspiegels erkannt; bei pHPT ist er erhöht.

Die Uni Mannheim sucht für die Studie noch Patienten, die weder eine Porphyrie haben noch schwer krank sind. Anmeldung und Infos bei: Sekretariat Privatdozent Dr. Frank Willeke, Tel.: 0621 / 383 - 2357, oder bei Dr. Rüdiger Proßt, E-Mail: ruediger.prosst@chir.ma.uni-heidelberg.de

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