Neue Mittel sollen HIV Zugang zu Zellen verwehren

WIEN (wst). Unter der Bezeichnung HIV-Eintritts-Hemmer wird eine neue, heterogene Gruppe von Medikamenten zusammengefaßt, die unterschiedlich den Eintritt des Aids-Erregers in CD4-Zellen hemmen sollen: Fusions-Hemmer, Attachment-Hemmer und Korezeptor-Antagonisten. Bislang hat allerdings erst ein Vertreter dieser innovativen Gruppe den Sprung in die Zulassung geschafft: Enfuvirtid.

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Enfuvirtid (T-20) ist der Prototyp einer Klasse von Substanzen, die das Verschmelzen von Virus und Wirtszelle verhindert, wie Dr. Armin Rieger aus Wien berichtet hat. Enfuvirtid bindet an eine während der Fusion entstehende Intermediärstruktur des HIV-Proteins gp41, wie Rieger auf einem vom Unternehmen Hoffmann-La Roche ausgerichteten Satelliten-Symposium beim Aids-Kongreß in Wien berichtete. Dadurch blockiert es den weiteren Infektionsprozeß.

Die von dem Unternehmen hergestellte Substanz ist unter dem Markennamen Fuzeon® in Europa seit zwei Jahren zur Therapie von antiretroviral bereits behandelten Erwachsenen und Kindern ab sechs Jahren mit HIV-1-Infektion zugelassen.

Ausschlaggebend für die Zulassung waren, wie berichtet, die Ergebnisse der Phase-III-Studien TORO 1 und TORO 2 mit insgesamt etwa 1000 bereits intensiv behandelten HIV-Infizierten aus Nordamerika, Brasilien, Europa und Australien. Etwa zwei Drittel der überwiegend mit multiresistenten Viren infizierten Patienten erhielten zusätzlich zu einer optimierten hochaktiven antiretroviralen Kombinationstherapie (HAART) zweimal täglich subkutan 90 mg Enfuvirtid. Diese zusätzliche Applikation führte zu deutlich besserer Verringerung der Virusmenge im Blut und zu CD4-Zell-Anstiegen als HAART allein.

So lag nach 48 Behandlungswochen der Anteil von Patienten mit weniger als 400 HIV-RNA-Kopien pro Milliliter Blut in der HAART-Gruppe bei 13 Prozent, in der HAART plus Enfuvirtid-Gruppe dagegen bei 34 Prozent. Der günstige Effekt der additiven Therapie auf die Virusmenge hielt noch nach 96 Wochen an. Mehrere Unternehmen erforschen derzeit weitere Fusionshemmer.

Mit den Attachment-Hemmern als zweite Klasse der Entry-Hemmstoffe wird versucht, die Bindung von HIV an den CD4-Rezeptor zu verhindern oder zumindest zu erschweren.

Rieger stellte hierzu drei Substanzen vor, die sich bislang in Phase-I- oder -II-Studien befinden:

  • Das Präparat Pro 542 des Unternehmens Progenics ist ein lösliches antikörperähnliches Fusionsmolekül (rekombinantes CD4-IgG2), das nach intravenöser Applikation an das HIV-Hüllprotein gp120 bindet und damit das Andocken des Virus an die CD4-positive Zelle verhindert.
  • Der ebenfalls intravenös zu verabreichende monoklonale Antikörper TNX 355 des Unternehmens Tanox aus Houston in Texas verhindert mit seiner Bindung an den CD4-Rezeptor ebenfalls das Andocken.
  • Der oral verabreichbare Attachment-Hemmer BMS-488043 des Unternehmens Bristol-Myers Squibb bindet an gp120 von HIV-1 und verhindert so den Zugang des Virus.

Für seinen Eintritt in die Zielzelle benötigt HIV nicht nur den Kontakt zum CD4-Rezeptor, sondern zusätzlich zu Korezeptoren, wie Rieger von der Abteilung für Immundermatologie und Infektiöse Hautkrankheiten am Uniklinikum erläuterte.

Die für das HIV wichtigsten derzeit bekannten Korezeptoren auf CD4-positiven Zellen sind die Chemokin-Rezeptoren CCR5 und CXCR4. Mit CCR5- und CXCR4-Antagonisten hofft man, HIV seinen destruktiven Weg abschneiden zu können.

Bereits in fortgeschrittener klinischer Prüfung sind derzeit die CCR5-Antagonisten Vicriviroc des Unternehmens Schering-Plough, Maraviroc von Pfizer und GW873140 von GlaxoSmithKline.



STICHWORT

Chemokin-Rezeptoren CCR5 und CXCR4

Bei Menschen mit einem angeborenen oder erworbenen Mangel an den Zell-Rezeptoren CCR5 und CXCR4 verläuft eine Infektion mit dem Aids-Erreger HIV-1 deutlich langsamer als bei Infizierten ohne diese Rezeptoren. Und ein völliges Fehlen von CCR5 scheint sogar eine Resistenz gegen HIV-1 zu gewährleisten.

Nennenswerte Nachteile eines CCR5-Mangels sind bisher nicht bekannt. Das Fehlen des Chemokin-Rezeptors CXCR4 ist dagegen mit dem Leben unvereinbar, und möglicherweise ist daher bei seiner Antagonisierung das therapeutische Fenster wesentlich kleiner als bei der Blockade des CCR5-Rezeptors.

Deshalb nur CCR5 zu blockieren und CXCR4 unberührt zu lassen, könnte sich aber längerfristig als Sackgasse erweisen. Denn wenngleich bislang HI-Viren vor allem auf CCR5 als Korezeptor angewiesen sind, um in die CD4-positiven Immunzellen zu gelangen, könnte bei einseitiger Blockierung dieses Weges rasch die nun selektiv begünstigte Minderheit CXCR4-präferierender HIV-Varianten zum Problem werden.

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