HIV-Therapie sollte nicht komplett unterbrochen werden
MÜNCHEN (wst). Bei HIV-Infizierten mit multiresistenten Viren und nur noch eingeschränkten Therapie-Optionen sind Therapiepausen obsolet. Mehreren Studien zufolge ist für die Prognose unter diesen Bedingungen die Fortführung einer virologisch zunächst unbefriedigenden Kombinationstherapie besser als das vorübergehende Aussetzen jeglicher Medikation.
Veröffentlicht:Dem Konzept von Therapiepausen in einer Salvagesituation mit nur noch extrem eingeschränkten Therapieoptionen liegt eine evolutionstheoretisch plausible Vorstellung zugrunde. Dr. Mark Oette von der Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie des Universitätsklinikums Düsseldorf hat die Zusammenhänge bei den 11. Münchner AIDS-Tagen erläutert.
Durch den Wegfall jeglicher antiretroviraler Medikation - und damit des Selektionsdruckes - erhofften sich Therapeuten, daß im Organismus wieder das medikamentensensible unveränderte Wildtypvirus die Oberhand gewinnt und die multiresistenten Stämme verdrängt.
Der Patient würde damit wieder erfolgreicher behandelbar. Diese Hoffnung hat sich aber nicht erfüllt: Mehrere Studien, etwa die CPCRA-064-Studie, die REVERSE- und die SMART-Studie haben gezeigt, daß bei Therapiepausen deutlich häufiger Aids-definierende Ereignisse, etwa opportunistische Infektionen, auftraten als in den Kontrollgruppen, in denen die Kombinationstherapie - wenn auch virologisch unzureichend - verabreicht wurde.
Trotz Rückkehr des HIV-Wildtyps bleiben offenbar noch genug multiresistente Viren im Organismus zurück, die die Wirksamkeit der wieder aufgenommenen antiretroviralen Therapie einschränken. Dem im Vergleich zu den meisten HIV-Mutanten aggressiveren Wildtypvirus Zeit zur Erholung zu gönnen, in der es vorübergehend auch wieder sein besonders pathogenes Potential entfalten kann, lohnt sich also nicht.
Als möglicherweise sinnvollere Strategie wird derzeit die partielle Therapiepause erprobt. Durch das befristete Weglassen möglichst nur einer von mehreren Therapiekomponenten - etwa eines Protease-Hemmers - hofft man, die Viren im Patienten wieder für die vorübergehend ausgesetzte Medikamentenklasse empfänglich zu machen, ohne das zeitlich begrenzte Wiederauftreten des pathogeneren Wildtypvirus in Kauf nehmen zu müssen.