HINTERGRUND

Mit neuen Methoden sollen Frauen künftig unabhängig von Männern HIV vorbeugen können

Von Andrea Warpakowski Veröffentlicht:

Trotz aller Vorbeugungsprogramme infizieren sich weltweit jedes Jahr vier Millionen Menschen mit dem HI-Virus. Das liegt zum einen daran, daß nur knapp jeder fünfte Mensch mit hohem HIV-Infektionsrisiko mit aktuellen Präventionsprogrammen erreicht wird, zum anderen sind die vermittelten Methoden für viele Menschen nicht praktikabel, wie Dr. Peter Piot, Direktor des Aidsbekämpfungsprogramms der Vereinten Nationen UNAIDS, berichtet hat.

Abgesehen von sexueller Abstinenz sind zwar Kondome die einfachste Methode, sich vor Aids zu schützen. "Mehr als die Hälfte der weltweit 40 Millionen HIV-Infizierten sind jedoch Frauen. Sie haben oft nicht die Möglichkeit, den Gebrauch von Kondomen einzufordern und sich gegen ungeschützten Sex zu wehren", sagte Piot auf der Weltaidskonferenz in Toronto in Kanada.

Forschungsschwerpunkt sind deshalb vor allem Präventions-Methoden, die Frauen unabhängig von Männern und idealerweise unbemerkt von ihren Sexualpartnern anwenden können. Untersucht wird etwa, ob ein Diaphragma allein HIV-Infektionen verhindern kann, denn es wird angenommen, daß die Haupteintrittspforte des Virus der Gebärmutterhals ist.

Fast 40 Mikrobizide werden zur Zeit klinisch geprüft

Am weitesten fortgeschritten ist die Entwicklung von Mikrobiziden, die Frauen vaginal anwenden können. Die meisten der Mittel werden als durchsichtiges Gel entwickelt, die vor jedem Geschlechtsverkehr vaginal und rektal appliziert werden müssen. Nach einer Modellrechnung kann mit einem Mikrobizid, das zu 60 Prozent wirksam ist, jede dritte Infektion verhindert werden.

Derzeit befinden sich fast 40 Substanzen in der Präklinik, 14 in frühen und fünf in späten klinischen Prüfphasen. Außer Substanzen, die als chemische Barriere zwischen HI-Virus und Vaginalschleimhaut dienen oder das Virus zerstören, werden auch antiretrovirale Substanzen in Mikrobiziden untersucht, die als HIV-Medikamente entwickelt wurden. Am weitesten fortgeschritten sind Studien mit Medikamenten, die die Vermehrung der HI-Viren hemmen, wenn diese sich bereits in der Wirtszelle befinden, und die den Eintritt des HI-Virus in die Wirtszelle verhindern.

Medikamente ermöglichen eine diskrete Prävention

Vorteilhafter, weil diskret und unabhängig vom Geschlechtsverkehr anzuwenden, sind jedoch Mikrobizide, die von Vaginalringen, wie es sie schon zur hormonellen Kontrazeption gibt, freigegeben werden.

Aber auch eine Vorbeugung mit Medikamenten, die sogenannte Präexpositionsprophylaxe (PrEP), können Frauen unbemerkt von den Männern anwenden. Gedacht ist diese Präventions-Methode für alle Menschen mit einem hohen Infektionsrisiko.

Daß das Prinzip der medikamentösen HIV-Prophylaxe funktioniert, ist bekannt: Antiretrovirale Medikamente verhindern erfolgreich die vertikale Transmission von der Mutter auf das Kind (Mother-to-Child-Transmission, MTCT) und als Postexpositionsprophylaxe (PEP) eine Infektion nach Nadelstichverletzungen.

In Studien in mehreren afrikanischen Ländern sowie in Thailand und in den USA werden Wirksamkeit und Sicherheit einer PrEP bei weiblichen Prostituierten untersucht, ebenso bei jungen Erwachsenen, i.v.-Drogenkonsumenten und homosexuellen Männern. In den Studien werden entweder der nukleosidale Hemmer der viralen Reverse Transkriptasehemmer (NRTI) Tenofovir oder die Kombination der beiden NRTI Tenofovir plus Emtricitabin verwendet.

Medikamentöse Prophylaxe könnte Resistenzen begünstigen

Falls die PrEP funktioniert, könnte diese Methode nach Angaben von Professor Joep Lange von der Universität Amsterdam in den Niederlanden eine wichtige HIV-Prävention bei Hochrisikogruppen sein. Ganz unbedenklich ist diese Methode allerdings nicht: Außer den potenziellen unerwünschten Wirkungen bei HIV-negativen Personen gibt es Bedenken zur Resistenzentwicklung, die zum einen eine spätere HIV-Therapie bei den PrEP-Anwendern dann erschweren würde und zum anderen zur Ausbreitung von Resistenzen beitragen könnte.

Fazit: Eine wirksame Impfung gegen HIV ist noch lange nicht in Sicht, und bisherige Präventionsmethoden haben die Ausbreitung der HIV-Pandemie nicht aufhalten können. Angesichts der hohen Zahl von Neuinfektionen werden bereits bestehende Präventionsprogramme ausgeweitet. Zudem wird die Erforschung von Methoden verstärkt, die Frauen ohne Kontrolle von Männern anwenden können.



STICHWORT

Präventionsmethoden

Mikrobizide: Eine Substanz mit 60prozentiger Wirksamkeit könnte in Ländern mit mittlerem und niedrigen Einkommen jährlich 2,5 Millionen HIV-Infekte verhindern.

Vorhautbeschneidung: Würden sich in afrikanischen Ländern südlich der Sahara alle Männer beschneiden lassen, gäbe es in den nächsten zehn Jahren mehr als zwei Millionen HIV-Infektionen weniger. Eine Beschneidung scheint das Risiko, daß sich heterosexuelle Männer bei HIV-positiven Frauen anstecken, um 60 Prozent zu verringern.

Diaphragma: Diese kostengünstige und verfügbare Methode würde vor allem Frauen vor HIV schützen.

Medikamentöse Prophylaxe: Mit einer oralen Präexpositionsprophylaxe könnten sich vor allem Menschen mit einem hohen Infektionsrisiko schützen.

Herpestherapie: Die kostengünstige Aciclovir-Therapie bei Herpes simplex Typ 2 scheint gleichzeitig vor der HIV- Infektion zu schützen und die Transmission zu verhindern.

Impfung: Ein Impfstoff gegen HIV, der einen Schutz von 40 Prozent bietet und mit dem 20 Prozent einer stark von HIV-Infekten betroffenen Bevölkerung geimpft werden, könnte die Zahl der Neu-Infektionen um fast ein Drittel senken. (awa)

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