Exotische Erreger reisen um die Welt

"Rückkehr der Seuchen, regionale Erreger werden zur globalen Bedrohung". Klimawandel und Globalisierung verändern das Krankheitenspektrum, heißt es. Wie dies alles einzuordnen ist, wird man beim Kongress hören.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:

Anders als jetzt oft behauptet, gibt es natürlich keine "Rückkehr der Mikroben". Es ist allenfalls eine Rückkehr ins Bewusstsein. "Die waren nie weg. Man hat sich nur leider lange nicht richtig um sie gekümmert, sie teilweise ausgeblendet", sagt Dr. Sebastian Dieckmann vom Institut für Tropenmedizin der Charité Berlin. Richtig ist, dass man zusätzlich zu den in Europa seit langem verbreiteten Mikroben zunehmend mit Infektionen rechnen muss, die bislang hauptsächlich in Afrika oder Asien vorkamen. Die Frage ist, ob sich aus einem reisemedizinischen Luxusproblem ein bedrohliches Alltagsproblem entwickeln wird. Dieckmann glaubt das nicht. "Exotische Krankheiten werden auch künftig nicht massiv in unseren Breiten auftreten", sagt er, "auch nicht infolge des Klimawandels!" Er führt das Beispiel Malaria an: Mücken, die die Malariaparasiten übertragen könnten, sind ja auch in Deutschland heimisch. Dennoch würde sich keine stabile Übertragungssituation etablieren können, auch weil Erkrankte rasch erkannt und behandelt werden.

Siegeszug des West-Nil-Virus

Andererseits gibt es das Beispiel des West-Nil-Virus. Es kann zu einer tödlichen Enzephalitis führen. 1999 erstmals in New York aufgetaucht, breitete sich der aus Uganda stammende Erreger innerhalb von nur fünf Jahren über ganz Nordamerika aus. Der Erreger fand außer dem Wirt Mensch auch Tierreservoire vor, die zudem immunologisch naiv waren. Die Culex-Mückenart in den USA, die das Virus überträgt, hat zudem keine Wirtspräferenzen für ihre Blutmahlzeiten - mal sticht sie ein Tier, mal einen Menschen. Das sorgte zusätzlich für die rasche geografische Verbreitung des Virus in Amerika. "Wir wundern uns, dass das West-Nil-Virus in Europa noch nicht heimisch geworden ist", sagt Dieckmann.

Im Wesentlichen gibt es zwei Quellen, aus denen exotische Erreger stammen: infizierte Tiere, über die sich Menschen anstecken - Beispiele dafür sind die Vogelgrippe und SARS (schweres akutes respiratorisches Syndrom) -, und Vektoren wie Mücken oder Nager, die als Zwischenwirte fungieren. Ein solcher Vektor ist die asiatische Tigermücke (Aedes albopictus). Sie stammt aus Süd- und Ostasien und breitet sich derzeit in Afrika, Amerika und in Europa aus. Bedenklich ist das vor allem insofern, als die Mücke mehrere exotische Erreger übertragen kann, so etwa Dengue- und Gelbfieber-Viren sowie das Chikungunya-Virus. Im Dezember 2005 begann sich das Chikungunya-Virus von Afrika aus nach Osten auf Inseln im Indischen Ozean auszubreiten. Inzwischen ist ganz Südostasien betroffen. Ein Tourist brachte das Virus im Sommer 2007 aus Indien nach Italien, wo es sofort weitere 150 Menschen infizierte. Denn die Tigermücke als kompetenter Vektor war längst da. Das Beispiel macht deutlich: Der "Vektor Mensch" ist für den Menschen immer noch der wichtigste Infektionsüberträger. Daran erinnert auch die HIV-Epidemie, ursprünglich eine Affeninfektion. Nicht immer geht ein solcher Speziessprung mit der Fähigkeit einher, sich innerhalb dieser Spezies zu verbreiten, beim Vogelgrippe-Virus war das glücklicherweise nicht der Fall.

Renaissance der Infektiologie

"Es besteht kein Grund für Panik", betont Dieckmann. "Andererseits müssen wir mit der Konfrontation mit neuen Erregern rechnen." Das erfordere permanente Aufmerksamkeit. Dass das Bewusstsein bei Primärärzten zunimmt, sieht der Tropenmediziner an der Zahl seiner Patienten. Infektiologie - man kümmert sich wieder drum. Das ist gut so.

Dr. Sebastian Dieckmann wird beim Symposium "Probleme der Globalisierung - Wenn der Erreger mitreisen will" am 10. April 2010 sprechen. Zeit: 08.15 - 09.45 Uhr, Ort: Saal 2c

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