Infektionen

Der Mensch, das mobile Problem

Ob klassischer Infekt oder Tumor: Mikroorganismen und Viren beeinflussen das Leben von Menschen. Das Wettrennen gegen die flexiblen Erreger ist nach Auffassung von Professor Michael Manns noch nicht gewonnen - ein Thema beim Internistenkongress in Wiesbaden.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:

Prof. Michael Manns

Der Mensch, das mobile Problem

© MH-Hannover

Position: Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an der MHH

Schwerpunkte: Entzündliche Lebererkrankungen, Transplantationsmedizin, gastrointestinale Onkologie, Zelltherapie

Ärzte Zeitung: Herr Professor Manns, nach Ihren Worten haben sich in den vergangenen Jahren dramatische Veränderungen auf dem Feld der Infektiologie ereignet. Woran denken Sie da?

Professor Michael Manns: Der Anstieg der Lebenserwartung von Menschen war immer signifikant verbunden mit der Beherrschung von Infektionskrankheiten, ganz besonders mit der Verbesserung der Hygiene und der Entwicklung von Impfungen.

In jüngerer Zeit sind immer wieder neue Infektionskrankheiten wie SARS - Severe Acute Respiratory Syndrome - entdeckt worden, oder altbekannte Erreger haben neue Epidemien ausgelöst wie die Influenzaviren und EHEC, Enterohämorrhagische Escherichia coli. Und wer hätte vor 30 Jahren gedacht, dass das Magengeschwür eine Infektionskrankheit ist?

Bedeutsam ist auch der Zusammenhang zur Tumorentstehung. Man geht heute davon aus, dass 30 bis 40 Prozent der Tumorerkrankungen durch Infektionen bedingt sind wie der Helicobacter-bedingte Magenkrebs, Epstein-Barr-Viren als Auslöser von Lymphomen, HTLV1-Viren als Verursacher von Leukämie und Hepatitis-Viren bei Leberzellkarzinomen.

Regional sind die infektiologischen Probleme allerdings verschieden ...

Wir beobachten zwei Extreme. So sind infektionsbedingte Durchfallerkrankungen, obwohl prinzipiell gut behandelbar, in den Entwicklungsländern noch immer die häufigste Todesursache bei Kindern.

In den Industrieländern dagegen tauchen neuartige Infektionen durch fakultativ pathogene Keime auf, weil immer mehr Menschen immunsupprimiert sind, zum Beispiel medikamentös bedingt oder aufgrund einer HIV-Infektion.

Ein weiteres großes Problem ist die Mobilität der Menschen und damit auch die Mobilität von Mikroorganismen und Viren.

Ist das Wettrennen gegen die sehr flexiblen Erreger zu gewinnen?

Sicher ist das meines Erachtens nicht, wenn ich an die multiresistenten Keime denke, zum Beispiel den drastischen Anstieg multiresistenter Tuberkuloseerreger. Hospitalismus ist ein weiteres und sehr differenziertes Problem.

Es ist wichtig, dass wir mit Antibiotika und Virustatika konsequent, ausreichend hoch dosiert und ausreichend lange behandeln, die sogenannte Compliance.

Als Schlüssel zum Erfolg gelten Kooperation und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Sie wollen beim DGIM-Kongress in Wiesbaden einen integrativen Ansatz in der Infektionsforschung vorstellen. Worum handelt es sich dabei?

Es gibt 27 Einrichtungen an sieben Standorten in Deutschland, die zusammen das 2011 gegründete Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) bilden. Dieses Zentrum ist Teil eines Programms des Bundesforschungsministeriums (BMBF), das nationale Gesundheitsforschungszentren für die großen Volkskrankheiten schaffen möchte.

Das DZIF-Projekt wird von Bund und Ländern mit bis zu 40 Millionen Euro pro Jahr gefördert.

Die Forschungsarbeit soll nicht nur die Infektionsprobleme in unserem Land, sondern global angehen. Daher gibt es internationale Kooperationen innerhalb Europas oder vor allem mit afrikanischen Einrichtungen.

Zudem möchte man mit Hilfe des DZIF für akut auftretende Probleme gewappnet sein, wie wir sie mit den SARS- und EHEC-Epidemien hatten. Zwar konnte im Jahre 2011 der EHEC-Erreger rasch isoliert und sequenziert werden, am natürlichen Verlauf der Epidemie hat das jedoch nichts mehr ändern können. Eine solche Epidemie kann im Prinzip immer wieder auftreten.

Was heißt es konkret, Aktivitäten im DZIF zu bündeln?

Ein Teil der Mittel fließt direkt in Forschungsprojekte, ein anderer Teil dient dem Aufbau von komplementären Infrastrukturen an den einzelnen Standorten. BMBF-Projekte sind in der Regel strukturfördernde Maßnahmen. Es werden regional methodische Schwerpunkte gesetzt, die dann alle Standorte des DZIF nutzen können.

Des Weiteren werden Grundlagen- und klinische Forschung stärker miteinander vernetzt. Ein Beispiel ist die Thematische Translationseinheit (TTU) Hepatitis. Aus der hypothesengetriebenen Grundlagenforschung sollen klinische Studien generiert und optimalerweise neue Medikamente zur Prophylaxe oder Therapie entstehen.

Die TTU Hepatitis wird dabei das bereits bestehende Studienzentrum des Kompetenznetzes Hepatitis, das Hep Net Study House, nutzen. Gefördert werden soll ebenfalls die Kooperation zwischen der angewandten Forschung und der pharmazeutischen Industrie.

Können Sie einige Beispiele für Forschungsprojekte beim DZIF nennen?

Nehmen wir die chronische Hepatitis B. In Heidelberg ist ein Medikament entwickelt worden, das die Aufnahme von Hepatitis-B-Viren (HBV) in die Leberzelle hemmt.

Damit wird ein wesentlicher Teil des Lebenszyklus dieser Viren unterbrochen, der die chronische Hepatitis B unterhält. Ziel ist es, das Immunsystem in die Lage zu versetzen, die Virusinfektion dauerhaft und ohne Medikamente zu kontrollieren, vergleichbar mit einem Gesunden nach überstandener akuter Hepatitis B.

Des Weiteren werden Biomarker entwickelt, die helfen sollen, Konzepte einer individualisierten personalisierten Therapie anzuwenden. Gegen Hepatitis-D-Virusinfektionen verfügen wir im Moment praktisch über keine für diese Virusinfektion spezifischen Therapieoptionen.

m DZIF wollen wir Behandlungsmöglichkeiten schaffen, die spezifisch die HDV-Vermehrung in der Leberzelle hemmen. Um ausreichend große Studienkohorten bilden zu können, kooperieren wir dazu mit internationalen Forschergruppen, ein Hepatitis Delta Netzwerk wurde geschaffen.

Ein weiteres Beispiel ist die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Helicobacter pylori. Helicobacter pylori gilt weltweit als einer der Hauptursachen für Magenkrebs. Eine umfassende Impfung gegen Helicobacter würde das Magenkarzinom vor allem auch in jenen Teilen der Welt zurückdrängen, wo es noch sehr häufig ist.

Gibt es eine wichtige Botschaft, die Sie Ihren Zuhörern beim DGIM vermitteln wollen?

Wir müssen uns immer wieder klar machen, dass Impfungen nur wirken, wenn möglichst alle geimpft sind. Impfmüdigkeit, Impflücken in der Bevölkerung müssen bekämpft werden, denn sie fördern die Verbreitung von therapieresistenten Keimen.

Und wir brauchen eine Infrastruktur, um so schnell wie möglich bei neu auftretenden Epidemien die Erreger zu isolieren, ein Diagnostikum, einen Impfstoff oder ein spezifisches Medikament entwickeln zu können.

Professor Michael Manns spricht bei der Plenarsitzung "Infektion, Organentzündung und Systementzündung" beim DGIM-Kongress am 9. April von 12-13.30 Uhr zum Thema "Infektionsforschung in Deutschland"

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