Nierentransplantation

Ganciclovir schützt Kinder vor Krebs

Fast jedes vierte Kind mit einer Spenderniere, wird durch das neue Organ mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert. Die Gefahr: Lymphdrüsenkrebs. Helfen kann das Virostatikum Ganciclovir.

Veröffentlicht:
EBV unter dem Elektronenmikroskop: Ganciclovir soll die Viren in Schach halten.

EBV unter dem Elektronenmikroskop: Ganciclovir soll die Viren in Schach halten.

© Dr. Fred Murphy / CDC

HEIDELBERG. Das Anti-Virus-Medikament Ganciclovir kann Kinder nach Nierentransplantation vor Krebs schützen. Das hat eine Studie unter Federführung von Heidelberger Forschern am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin ergeben, teilt das Uniklinikum Heidelberg mit.

Dr. Britta Höcker und Professor Burkhard Tönshoff vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin am Uniklinikum Heidelberg haben gezeigt: Ganciclovir kann die Infektion bei rund der Hälfte der mit einer EBV-positiven Niere transplantierten Kinder verhindern.

Die Heidelberger Kinderärzte untersuchten in der Studie zur EBV-Infektion mit 106 Kindern und Jugendlichen nach Nierentransplantation, wie sich der Verlauf der Infektion auf das Krebsrisiko auswirkt.

Dafür wurden Höcker und Tönshoff mit dem Johannes Brodehl-Preis der Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie ausgezeichnet. Der Preis ist mit 8.000 Euro dotiert.

Die multizentrische Studie der Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie (GPN), an der sich acht deutsche Transplantationszentren beteiligten, wurde in Heidelberg koordiniert.

Virus-Infektion über Spenderniere

Weltweit sind beinahe alle Erwachsenen mit dem Herpesvirus EBV infiziert, erinnert das Uniklinikum Heidelberg in seiner Mitteilung. Die Infektion findet meist schon im Kindesalter statt und verläuft häufig ohne oder mit milden Symptomen.

Bei Jugendlichen und Erwachsenen kann sie das Pfeiffer-Drüsenfieber mit grippeähnlichen Symptomen hervorrufen. Das Virus bleibt lebenslang im Körper, verursacht aber für gewöhnlich keine Beschwerden mehr. Eine Impfung gibt es noch nicht.

Unmittelbar nach einer Organtransplantation wird das Immunsystem des Patienten zum Schutz des neuen Organs ja etwas unterdrückt.

"Gerade jüngere Kinder sind häufig noch nicht mit EBV in Kontakt gekommen. Die Spenderorgane stammen aber in der Regel von Erwachsenen, die fast alle EBV-positiv sind", wird Höcker, Nierenspezialistin am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, in der Mitteilung zitiert. "Die Kinder werden durch das neue Organ mit EBV infiziert."

Bei bis zu zehn Prozent komme es dadurch zu bösartigen Veränderungen der Lymphozyten ("Posttransplantation-lymphoproliferative Erkrankung (PTLD)". Welche Kinder besonders gefährdet sind, sei noch weitgehend unbekannt.

Die Virenmenge im Blut liefert - anders als bisher angenommen - keinen Hinweis darauf, ob sich aus der EBV-Infektion eine PTLD entwickelt, heißt es in der Mitteilung des Uniklinikum Heidelberg.

Höcker und Tönshoff stellten in der Studie keinen Zusammenhang zwischen Virenmenge, Ausprägung von Symptomen und Krebsrisiko fest.

"An manchen Zentren ist es Praxis, allein schon bei einer anhaltenden EBV-Konzentration im Blut die Unterdrückung des Immunsystems deutlich zurückzufahren, damit der Körper die Viren bekämpfen kann. Das kann das Spenderorgan gefährden", wird Tönshoff, Leiter des pädiatrischen Nierentransplantationsprogramms und stellvertretender Ärztlicher Direktor der Klinik Kinderheilkunde I des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin, zitiert.

"Aufgrund unserer Ergebnisse raten wir von diesem Vorgehen ab, es bringt wahrscheinlich keine Vorteile für die Patienten."

Schutz vor EBV schützt auch vor Lymphdrüsenkrebs

"Um Lymphdrüsenkrebs vorzubeugen, muss seine Ursache, also die EBV-Infektion, verhindert oder eingedämmt werden", so Tönshoff. Dazu kann Ganciclovir beitragen.

20 Patienten der Studie, die zum Zeitpunkt der Transplantation nicht infiziert waren und eine EBV-positive Spenderniere erhielten, wurden mit einer Viren-Prophylaxe behandelt.

Das Medikament Ganciclovir verhinderte bei elf Kindern die Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus. Bei neun Kindern vermehrten sich die Viren nur wenig.

Dieses Ergebnis passe zu Daten einer US-amerikanischen Studie aus dem Jahr 2005, teilt das Uniklinikum Heidelberg mit. Diese zeigte, dass die Durchführung einer Viren-Prophylaxe das Auftreten von Lymphdrüsenkrebs nach Nierentransplantation um 83 Prozent verringern kann.

"Wir empfehlen daher bei allen Risikopatienten eine Viren-Prophylaxe", sagt Höcker. "Es wäre zudem sinnvoll, die Medikamente weiterzuentwickeln, um den Schutz vor EBV noch zu verbessern."

Literatur: Höcker et al. Epidemiology and Morbidity of Epstein-Barr Virus Infection in Pediatric Renal Transplant Recipients: A Multicenter, Prospective Study., Clin Infec Dis 2013; 56(1): 84-92. Höcker et al. (Val)-Ganciclovir prophylaxis reduces Epstein-Barr virus primary infection in pediatric renal transplantation, Transpl Int. 2012; 25(7): 723-31

Mehr zum Thema

Weltmalaria-Tag

Invasive Malariamücke bedroht afrikanische Städte

Impfempfehlungen

Neuer STIKO-Chef fordert mehr Personal

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen